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Die Jury

Titel: Die Jury Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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wenn er Alkohol trank, und das wußte Lucien.
    »Herzlichen Glückwunsch.«
    »Wofür?« fragte Jake. »Für den Hailey-Fall.«
    »Warum beglückwünschen Sie mich dazu?«
    »Ich hatte viele große Fälle, aber nie so einen.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Denken Sie an die Publicity. Ihr Name wird im ganzen Land bekannt, Jake. Und für Rechtsanwälte ist das sehr wichtig. Ein unbekannter Anwalt verhungert. Wenn Leute in Schwierigkeiten geraten, rufen sie jemanden an, von dem sie gehört haben. Ein Straßenanwalt muß sich der Öffentlichkeit verkaufen. Die Sache sieht natürlich anders aus, wenn man in einer großen Kanzlei oder für eine Versicherungsgesellschaft arbeitet. Dann sitzt man ruhig auf seinem Hintern, stellt hundert Dollar pro Stunde in Rechnung, zehn Stund en am Tag, schröpft die Leute und...«
    »Lucien...«, sagte Jake sanft. »Darüber haben wir schon oft gesprochen. Was halten Sie davon, wenn wir den Hailey-Fall diskutieren?«
    »Na schön, na schön. Noose lehnt die Verlegung des Verhandlungsortes bestimmt ab.«
    »Vorausgesetzt, ich stelle einen solchen Antrag.«
    »Es wäre dumm von Ihnen, diese Möglichkeit nicht wahrzunehmen.«
    »Warum?«
    »Aus einem rein statistischen Grund. Die Bevölkerung dieser County besteht zu sechsundzwanzig Prozent aus Schwarzen. In allen anderen Countys des zweiundzwanzigsten Gerichtsbezirks beträgt der Anteil mindestens dreißig Prozent, im Van Buren County sogar vierzig. Das bedeutet: mehr schwarze Geschworene. Durch eine Verlegung wächst die Wahrscheinlichkeit, daß mehr Schwarze zur Jury gehören. Wenn der Prozeß hier stattfindet, bekommen Sie vielleicht eine weiße Jury, und etwas Schlimmeres könnte Ihnen kaum passieren. Sie brauchen nur einen Schwarzen mehr, um die Einigung der Geschworenen zu verhindern – dann endet das Verfahren ohne Ergebnis.«
    »Und beginnt noch einmal von vorn.«
    »Sorgen Sie dafür, daß die Jury auch bei der zweiten Verhandlung keine Einigung erzielt. Nach drei Versuchen gibt die Staatsanwaltschaft auf. Ein ergebnisloser Prozeß kommt für Buckley einer Niederlage gleich. Nach dem dritten Verfahren wirft er das Handtuch.«
    »Ich teile Noose also einfach mit, das Verfahren sollte in einer schwärzeren County stattfinden – damit ich sicher sein kann, daß unter den Geschworenen auch einige Schwarze sitzen.«
    »Sie könnten so vorgehen, aber an Ihrer Stelle würde ich eine andere Taktik wählen. Führen Sie die üblichen Gründe an: zuviel Publicity vor der Verhandlung, Voreingenommenheit und so weiter.«
    »Glauben Sie, Noose kauft mir das ab?«
    »Nein. Dieser Fall ist zu groß, und er wird immer größer. Die Medien haben bereits mit dem Prozeß begonnen. Jeder hat davon gehört, und damit meine ich nicht nur die Leute hier in Ford County. Vermutlich gibt es im ganzen Staat Mississippi niemanden, der den Angeklagten nicht schon für schuldig oder unschuldig hält. Deshalb wäre die Verlegung des Verhandlungsortes sinnlos.«
    »Warum sie dann beantragen?«
    »Wenn Ihr Klient verurteilt wird, brauchen Sie einen Anlaß, um Berufung einzulegen. Dann können Sie behaupten, es hätte kein fairer Prozeß stattgefunden, weil man die Verlegung des Verhandlungsortes ablehnte.«
    »Danke für Ihren Optimismus. Wie stehen die Chancen, das Verfahren in einem anderen Gerichtsbezirk stattfinden zu lassen, zum Beispiel irgendwo im Delta?«
    »Ausgeschlossen. Wenn Sie einen entsprechenden Antrag stellen, können Sie keinen bestimmten Ort verlangen.«
    Das hatte Jake nicht gewußt – meistens lernte er etwas, wenn er Lucien besuchte. Er nickte zuversichtlich und musterte den alten Mann mit dem langen, schmutzigen Bart. Wilbanks war nie mit seiner Weisheit am Ende, wenn es ums Strafrecht ging.
    »Sallie!« rief Lucien und warf die Eiswürfel ins Gebüsch.
    »Wer ist Sallie?«
    »Meine Hausangestellte.« Eine hochgewachsene, attraktive Schwarze öffnete die Fliegengittertür, sah Jake an und lächelte.
    »Ja, Lucien?« fragte sie.
    »Mein Glas ist leer.«
    Mit geschmeidigen Schritten ging Sallie über die Veranda und nahm das Glas entgegen. Sie war noch nicht dreißig, gut gebaut und hübsch und hatte ziemlich dunkle Haut. Jake bestellte Eistee.
    »Wo haben Sie Sallie aufgetrieben?« erkundigte er sich.
    Lucien starrte zum fernen Gerichtsgebäude.
    »Wo?«
    »Keine Ahnung.«
    »Wie alt ist sie?«
    Lucien schwieg.
    »Wohnt sie hier?«
    Keine Antwort.
    »Wieviel bezahlen Sie ihr?«
    »Warum interessiert Sie das? Sallie bekommt von mir mehr als

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