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Die Jury

Titel: Die Jury Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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sehr unwahrscheinlich.«
    »Er hat darauf hingewiesen, noch nie einen Mordprozeß verloren zu haben, bei dem Sie die Anklage vertraten.«
    Buckleys Lächeln verschwand sofort. Er beugte sich vor und bedachte den Reporter mit einem strengen Blick. »Das stimmt. Aber vermutlich ließ er einige bewaffnete Raubüberfälle und schwere Diebstähle unerwähnt, nicht wahr? Ich habe meinen Anteil gewonnen. Neunzig Prozent, um ganz genau zu sein.«
    Die Journalisten schalteten ihre Kameras aus und dankten dem Bezirksstaatsanwalt. »Kein Problem«, erwiderte Buckley. »Ich habe immer Zeit für Sie.«
    Ethel keuchte die Treppe hoch und blieb vor dem großen Schreibtisch stehen. »Mr. Brigance, mein Mann und ich erhielten gestern abend einen obszönen Anruf, und eben bekam ich den zweiten. Diese Sache gefällt mir nicht.«
    Jake deutete auf den Stuhl. »Setzen Sie sich. Worüber sprachen die Anrufer?«
    »Sie drückten sich ziemlich vulgär aus und drohten. Sie drohten mir, weil ich Ihre Sekretärin bin. Meinten, es würde mir noch leid tun, für einen Niggerfreund zu arbeiten. Der zweite Anrufer kündigte dann an, etwas gegen Sie und Ihre Familie zu unternehmen. Ich bin sehr besorgt.«
    Auch Jake machte sich Sorgen, aber davon ließ er sich nichts anmerken. Er hatte zu Hause mehrere ähnliche Anrufe erhalten und sie Ozzie gemeldet.
    »Ändern Sie Ihre Telefonnummer, Ethel. Ich bezahle dafür.«
    »Ich habe die Nummer schon seit siebzehn Jahren und möchte sie nicht ändern.«
    »Wie Sie wollen. Die Nummer meines privaten Anschlusses zu Hause ist inzwischen geändert worden. Ein Antrag bei der Telefongesellschaft genügt.«
    »Dazu bin ich nicht bereit.«
    »Na schön. Sonst noch etwas?«
    »Nun, ich glaube, Sie hätten diesen Fall nicht übernehmen sollen. Ich...«
    »Und mir ist es völlig gleich, was Sie glauben! Sie werden nicht dafür bezahlt, um über meine Fälle nachzudenken. Wenn ich Ihre Meinung hören möchte, frage ich danach. Solange das nicht geschieht, sollten Sie besser schweigen.«
    Ethel schnaufte und ging. Jake nahm den Hörer ab und telefonierte mit Ozzie.
    Eine Stunde später klang die Stimme der Sekretärin aus der Wechselsprechanlage. »Lucien hat heute morgen angerufen. Er forderte mich auf, Kopien der neuesten Akten anzufertigen, und er bittet Sie, ihm die Unterlagen heute nachmittag zu bringen. Er fügte hinzu, seit Ihrem letzten Besuch seien fünf Wochen vergangen.«
    »Vier. In Ordnung, kopieren Sie die Akten. Ich fahre heute nachmittag zu ihm.«
    Lucien kam einmal pro Monat im Büro vorbei oder rief an, um sich über neue Fälle und Entwicklungen in der Justiz zu informieren. Er verbrachte den größten Teil seiner Zeit damit, Jack Daniel's zu trinken und an der Börse zu spekulieren, beides voll Hingabe. Er war Alkoholiker, saß oft auf der vorderen Veranda seines großen weißen Hauses – es stand auf einem Hügel, acht Blocks vom Platz mit dem Gerichtsgebäude entfernt –, schüttete Whisky in sich hinein und las in den Unterlagen aktueller Fälle.
    Seit dem Lizenzentzug ging es bergab mit Lucien. Eine Hausangestellte arbeitete rund um die Uhr für ihn und schlüpfte auch in die Rolle der Kellnerin: Von zwölf Uhr mittags bis um Mitternacht servierte sie ihm Drinks auf der Terrasse. Er aß und schlief nur selten, sondern lauschte statt dessen dem Klirren von Eiswürfeln.
    Wilbanks erwartete von Jake, daß er ihn mindestens einmal im Monat besuchen komme. Als verbitterter, kranker alter Mann verfluchte Lucien Rechtsanwälte, Richter und insbesondere die Behörden des Staates Mississippi. Jake war sein einziger Freund, der einzige geduldige Zuhörer, dem er seine Predigten halten konnte. Außerdem hatte Lucien die schlechte Angewohnheit, unerwünschten Rat anzubieten. Er kannte sich immer gut mit den neuesten Fällen aus, und Jake fragte sich häufig, woher er seine Informationen bezog. Man sah ihn nur selten in Clanton: Meistens fuhr er nur in die Stadt, um in einem bestimmten Spirituosenladen des Schwarzenviertels einzukaufen.
    Jake parkte seinen Saab hinter dem schmutzigen, verbeulten Porsche, trat auf die Veranda und reichte Lucien die Akten. Sie wechselten keine Höflichkeitsfloskeln; das Begrüßungsritual bestand nur aus der Übergabe der Unterlagen. Lucien schwieg, saß in einem Schaukelstuhl und blickte über Clanton hinweg. Das Gerichtsgebäude ragte höher auf als die anderen Häuser am Platz.
    Wilbanks bot seinem Gast Whisky, Wein und Bier an. Jake lehnte ab. Carla hielt nichts davon,

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