Die Jury
bis auf Reis und Toast praktisch alles an, in verschiedenen Preislagen. Freitagmittag grillte er Schweineschultern und Rippchen, und das war allgemein bekannt. Normalerweise verirrten sich kaum Weiße zu ihm, aber am Freitag bestand nur die Hälfte seiner Kundschaft aus Schwarzen. Claude hatte schon vor einer Weile erfahren, daß Weiße Gegrilltes ebensogern mochten – doch die richtige Zubereitung schien ihnen ein Rätsel zu sein.
Jake und Atcavage setzten sich an einen kleinen Tisch neben der Küche. Claude höchstpersönlich brachte zwei Teller mit Rippchen und Krautsalat, beugte sich zu Brigance hinunter und sagte leise: »Viel Glück. Ich hoffe, es gelingt Ihnen, einen Freispruch durchzusetzen.«
»Danke. Ich hoffe, Sie gehören zu den Geschworenen.« Claude lachte. »Kann ich mich freiwillig melden?« erwiderte er laut.
Jake begann mit der Mahlzeit und warf Atcavage vor, den Kredit verweigert zu haben. Der Bankdirektor beharrte auf seinem Standpunkt, stellte jedoch fünftausend Dollar in Aussicht wenn Brigance als Bürge unterschrieb. Das verstoße gegen sein Berufsethos, erwiderte Jake.
Auf dem Bürgersteig versammelten sich einige Leute und starrten durchs Fenster. Claude schien überall zugleich zu sein, nahm Bestellungen entgegen, erteilte Anweisungen, schnitt Fleisch vom Bratspieß, zählte Geld, rief, fluchte, begrüßte Kunden oder forderte sie auf, sein Lokal zu verlassen. Am Freitag ließ er den Gästen zwanzig Minuten Zeit, nachdem sie das Essen bekommen hatten. Im Anschluß an diese Frist verlangte er von ihnen, die Rechnung zu bezahlen und zu gehen, so daß er noch mehr Gegrilltes verkaufen konnte.
»Klappe halten und essen!« donnerte er.
»Ich habe noch zehn Minuten, Claude.«
»Nein, nur noch sieben.«
Am Mittwoch briet er Seewolf und erlaubte dreißig Minuten – wegen der Gräten. Mittwochs kamen nur wenige Weiße, und Claude kannte den Grund dafür. Es lag an der fettigen Soße, deren Rezept von seiner Großmutter stammte, meinte er. Sie brachte bei Weißen die Verdauung durcheinander. Die Schwarzen waren verrückt danach; an jedem Mittwoch kamen sie zu Dutzenden.
Zwei Fremde saßen neben der Kasse und beobachteten Claude eingeschüchtert. Wahrscheinlich Reporter, dachte Jake. Wenn sich Claude näherte und ihnen finstere Blicke zuwarf, griffen sie gehorsam nach ihren Rippchen und nagten daran. Sie aßen so etwas wohl zum erstenmal, und für alle Anwesenden stand fest, daß sie aus dem Norden kamen. Sie hatten Salat bestellt, doch Claude fluchte und erwiderte: »Nehmt gegrilltes Fleisch wie alle anderen – oder verschwindet.« Dann verkündete er den übrigen Gästen, daß diese Narren Salat wollten.
»Hier ist euer Essen«, sagte er, als er die Teller brachte. »Beeilt euch damit.«
»Keine Messer?« fragte einer der Fremden zaghaft. Claude rollte mit den Augen, brummte etwas Unverständliches und ging fort.
Einer der beiden Männer bemerkte Jake. Er blickte mehrmals in seine Richtung, stand schließlich auf und trat an den Tisch heran. »Sind Sie Jake Brigance, Mr. Haileys Anwalt?«
»Ja. Und wer sind Sie?«
»Roger McKittrick von der New York Times.«
Jake beschloß, freundlich zu sein. »Freut mich, Sie kennenzulernen«, sagte er und lächelte.
»Ich berichte über den Hailey-Fall und würde mich gern mit Ihnen unterhalten. So bald wie möglich.«
»Nun, heute ist Freitag, und am Nachmittag habe ich nicht viel zu tun.«
»Ausgezeichnet.«
»Um vier?«
»Gut.« McKittrick sah, daß Claude aus der Küche kam. »Bis später.«
»Also gut, Freundchen!« rief Claude. »Die Zeit ist um. Bezahl deine Rechnung und verzieh dich.«
Jake und Atcavage leerten ihre Teller innerhalb von fünfzehn Minuten, lehnten sich zurück und warteten auf Claudes Tirade.
Sie leckten sich die Finger ab und lobten das zarte Fleisch der Rippchen.
»Durch diesen Fall werden Sie berühmt, stimmt's?« fragte Atcavage.
»Ich hoffe es. Allerdings verdiene ich dabei nicht viel Geld.«
»Im Ernst, Jake. Er bringt Ihre Praxis voran, oder?«
»Ja, natürlich. Wenn ich gewinne, herrscht kein Mangel mehr an Klienten. Dann kann ich meine Mandanten und Fälle auswählen.«
»Und in finanzieller Hinsicht?«
»Keine Ahnung. Es läßt sich kaum vorhersagen, wer oder was angelockt wird, wenn ich vor Gericht einen Erfolg erziele. Sicher bekomme ich dadurch mehr Fälle, und zwischen ihnen wählen zu können, bedeutet mehr Geld. Dann brauche ich mir wegen der Geschäftskosten keine Sorgen mehr zu
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