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Die Jury

Titel: Die Jury Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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machen.«
    »Solche Sorgen belasten Sie sicher auch jetzt nicht.«
    »Wissen Sie, Stan, nicht alle von uns schwimmen im Geld. Der Doktortitel nach einem Jurastudium ist heute weniger wert als früher – es gibt zu viele von uns. Ein harter Konkurrenzkampf findet statt, selbst hier in Clanton: Vierzehn Anwälte müssen sich die wenigen guten Fälle teilen. In größeren Städten ist die Situation noch schlechter. Ständig kommen neue Juristen von den Universitäten, und viele von ihnen finden keine Arbeit. Pro Jahr klopfen zehn junge Burschen bei mir an und bitten um einen Job. Vor einigen Monaten hat eine große Kanzlei in Memphis mehrere Anwälte entlassen. Stellen Sie sich das vor. Wie in einer Fabrik – sie wurden einfach gefeuert. Wahrscheinlich gingen sie zum Arbeitsamt und standen dort Schlange. Rechtsanwälte, die Arbeitslosenhilfe empfangen!
    Keine Sekretärinnen oder Lastwagenfahrer.«
    »Bitte entschuldigen Sie. Ich wußte nicht...«
    »Natürlich mache ich mir Sorgen wegen der Geschäftskosten. Dafür muß ich viertausend Dollar im Monat aufbringen, und ich praktiziere allein. Fünfzigtausend Dollar im Jahr, bevor ich einen Cent verdiene. Manche Monate sind gut, andere schlecht. Es ist nie vorherzusehen. Ich habe nicht die geringste Ahnung, was ich im nächsten Monat kassiere. Deshalb ist dieser Fall so wichtig. Er bietet mir eine einzigartige Chance. Bestimmt geschieht es nie wieder, daß mich beim Mittagessen ein Reporter der New York Times anspricht und um ein Interview bittet. Wenn ich gewinne, bin ich die Nummer eins in diesem Teil des Landes. Dann spielen Geschäftskosten keine Rolle mehr.«
    »Und wenn Sie verlieren?«
    Jake zögerte und sah sich nach Claude um. »Ich bekomme viel Publicity, ganz gleich, wie der Prozeß ausgeht. Ob ich gewinne oder verliere – der Fall nützt meiner Praxis. Doch eine Niederlage vor Gericht wäre ziemlich bitter. Alle Rechtsanwälte dieser County hoffen insgeheim, daß ich die Sache verpatze. Sie wollen, daß Carl Lee verurteilt wird. Sie fürchten, daß ich einen zu guten Ruf erwerbe, zu bekannt werde, ihnen die Klienten wegnehme. Anwälte können sehr neidisch sein.«
    »Gilt das auch für Sie?«
    »Na klar. Zum Beispiel die Sullivan-Kanzlei. Ich verachte die dort arbeitenden Anwälte, aber ich beneide sie auch – um einige ihrer Klienten, um ihr Einkommen, um ihre Sicherheit. Sie wissen, daß sie jeden Monat einen netten Scheck bekommen – das ist praktisch garantiert –, und jedes Jahr zu Weihnachten erhalten sie eine großzügige Prämie. Sie vertreten das alte, zuverlässige Geld. Wäre eine angenehme Abwechselung für mich. Ich vertrete Betrunkene, Diebe, Ehemänner, die ihre Frauen schlagen, Ehefrauen, die ihre Männer mißhandeln. Die meisten von ihnen sind knapp bei Kasse. Und ich weiß nie, wie viele Mandanten sich im nächsten Monat an mich wenden, um meine Dienste in Anspruch zu nehmen.«
    »Hören Sie...«, unterbrach Atcavage Jakes Monolog. »Ich würde gern noch länger darüber diskutieren, aber Claude hat gerade auf die Uhr gesehen und dann zu uns. Ich glaube, unsere zwanzig Minuten sind um.«
    Brigance mußte einundsiebzig Cent mehr bezahlen als Atcavage, und da sie beide die gleiche Bestellung aufgegeben hatten, wurde Claude verhört. Kein Problem, erklärte er. Auf Jakes Teller lag ein zusätzliches Rippchenstück.
    McKittrick erwies sich als sympathischer Mann und sehr gründlicher Journalist. Am Mittwoch war er in Clanton eingetroffen, um über den derzeit berühmtesten Mordfall im Land zu schreiben. Er sprach mit Ozzie und Moss, die ihm rieten, sich an Jake zu wenden. Er sprach mit Bullard – durch die geschlossene Tür –, und der Richter nannte ihm Jakes Adresse. Er sprach mit Gwen und Lester, bekam jedoch nicht die Erlaubnis, das Mädchen zu sehen. Er besuchte das Café, den Teashop, Hueys Bierstube und Anns Saloon. Er redete mit Willards Ex-Frau und Mutter, doch Mrs. Cobb erteilte ihm eine Abfuhr – sie hatte die Nase voll von Reportern. Einer von Cobbs Brüdern bot an, gegen ein Honorar Auskunft zu geben. McKittrick lehnte ab. Er fuhr zur Papierfabrik und unterhielt sich dort mit Carl Lees Arbeitskollegen. Er fuhr nach Smithfield, um dem Bezirksstaatsanwalt einige Fragen zu stellen. Der New York Times-Reporter würde noch einige Tage in der Stadt bleiben und später, wenn der Prozeß begann, wieder dorthin zurückkehren. Er stammte aus Texas, und seine Stimme hatte einen entsprechend deutlichen Akzent, wenn er das für nützlich

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