Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Juweleninsel

Die Juweleninsel

Titel: Die Juweleninsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
Gewalt wie der Mann. Gott ist die Allmacht und die Liebe, der Mensch aber ist sein Ebenbild; da nun aber der Mensch aus Mann und Frau besteht, so soll der Mann ein Ebenbild der göttlichen Allmacht und das Weib ein Ebenbild der göttlichen Liebe sein. Und wo Allmacht und Liebe auf Erden so innig zusammenwirken, da wird der Mensch seinem Gotte immer ähnlicher, da steigt die Weisheit und Gerechtigkeit vom Himmel hernieder, und die Völker nähern sich immer mehr der Erhabenheit und Herrlichkeit Dessen, der ihnen das Leben und das Dasein gab.«
    »Auch dies verstehe ich nicht,« meinte sie, »aber ich wünsche, daß ich es begreifen könnte.« Dann fügte sie nachdenklich hinzu: »Das Weib soll ein Ebenbild der göttlichen Liebe sein – – –«
    Der Blick ihres wunderbaren Auges war gegen die Sterne gerichtet; ihr Angesicht war ganz dasjenige eines Engels, welcher aus jenen Höhen hernieder gestiegen ist. Alphons konnte seinen Blick nicht von ihr wenden und wagte es, hingerissen von dem Zauber, den sie auf ihn ausübte, seine Hand auf die ihrige zu legen.
    »Kennst Du die Liebe?« frug er mit leiser zitternder Stimme.
    »Ich weiß es nicht.«
    »So hast Du nie geliebt!«
    »Vielleicht doch. Oder ist das keine Liebe, die man zur Mutter und zum Bruder hat?«
    »Ja. Aber es gibt noch eine andere Liebe, die unendlich reicher, entzückender und beseligender ist und diese arme Erde zum Himmel, zur Wohnung der Seligen macht.«
    »Welche meinest Du?«
    »Die Liebe im Herzen des Mannes und des Weibes. Hast Du sie gekannt?«
    »Nein. Ich kannte keinen Mann, ich wollte keinen Mann, ich liebte keinen Mann.«
    »Und kennst und willst und liebst auch jetzt noch keinen Mann?«
    »Darf nach Eurer Sitte ein Weib dies sagen?«
    »Ja.«
    »Wem darf sie es sagen?«
    »Dem, den sie liebt.«
    »Dann weiß er ja, daß sie ihn liebt!«
    »Warum sollte er es nicht wissen dürfen?«
    »Wenn er sie nun nicht wieder liebt?«
    »O, die Liebe ist allmächtig, und kein Herz kann ihr widerstehen. Wer aus dem tiefsten Grunde seines Herzens liebt, der wird ganz sicher wieder Liebe finden.«
    »Wenn dies doch wahr wäre!« flüsterte sie.
    Er zog ihre Hand an sein Herz und neigte sich näher zu ihr hernieder.
    »Weißt Du noch, was Du mir vorhin gebotest?«
    »Was?«
    »Ich soll Dich nicht mehr Sahiba nennen.«
    »Ja. Nenne mich Rabbadah, wie mich die Mutter und der Bruder nannte.«
    »Das darf ich nicht.«
    »Warum?«
    »Die Sitten und Gebräuche meiner Heimath gebieten, daß nur der Mann sein Weib bei diesem Namen nennen darf.«
    Sie schwieg; aber sie ließ ihre Hand in der seinigen, und dies gab ihm,den Muth, den Gefühlen Raum zu geben, welche die tiefste Tiefe seines Herzens durchflutheten.
    »Nicht wahr, nun muß ich Dich dennoch Sahiba nennen?«
    »Nenne mich, wie Du willst!« antwortete sie nach einigem Zögern.
    »Und wenn ich nun dennoch jetzt Rabbadah zu Dir sagen wollte – – – ?«
    »Du darfst es.«
    »Ich darf! Ist dies wahr, ist dies möglich, ist dies kein Traum, keine Täuschung?«
    »Nein.«
    Er hörte das Zittern ihrer flüsternden Stimme; er fühlte das Beben ihres kleinen Händchens; er konnte nicht anders, er mußte den Arm um sie legen und sie an sich ziehen.
    »Rabbadah,« frug er mit stockender Stimme, »weißt Du, was Du jetzt gesagt hast?«
    »Ich weiß es.«
    »Genau?«
    »Genau! Ich habe weder Vater noch Mutter, ich habe weder Bruder noch Schwester, ich habe keinen Freund und keinen Menschen als Dich allein. Du hast mich aus den Krallen des Panthers errettet, Du hast mir das Leben erhalten, als es bereits verloren war; es ist Dein, es gehört Dir, ich weiß nun, welche Liebe Du vorhin meintest, denn ich habe sie kennen gelernt und in meinem Herzen getragen seit dem Augenblicke, an welchem mir der Bruder von Dir erzählte. Nenne mich Rabbadah!«
    »Rabbadah!« jubelte er.
    Aber es war kein lauter, sondern ein leiser, tief innerlicher Jubel, der aus seiner Stimme klang. Er schlang die Arme um das herrliche Wesen und zog es fest und innig an seine vor unendlicher Seligkeit hochklopfende Brust.
    »Meine Seele, mein Engel, meine Göttin, so willst Du mein Weib sein, willst bei mir sein und mit mir, jetzt und immerdar?«
    »Jetzt und immerdar!« hauchte sie, den Kuß erwidernd, den er auf ihre Lippen drückte.
    »So schwöre ich Dir, daß jeder Augenblick meines Lebens, jeder Athem meiner Brust und jeder Pulsschlag meines Herzens nur Dir, Dir allein gehören soll, Rabbadah!«
    Sie saßen eng umschlungen neben einander; die

Weitere Kostenlose Bücher