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Die Juweleninsel

Die Juweleninsel

Titel: Die Juweleninsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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brauchen wir nicht länger zu suchen.«
    »Komm näher. Das Schiffsvolk hat sich an das Land gemacht und bereitet sich das Nachtmahl. Wollen einmal erst sehen, was es für Leute sind.«
    Sie schlichen sich heimlich hinzu und betrachteten die vor ihnen liegende Gruppe.
    »Es sind Schiffer und verschiedene Passagiere,« meinte der Kundschaftet. »Vielleicht befinden sich unter den letzteren einige Thugs und Phansegars, welche die Begum begleiten und beschützen sollen. Der aber, den ich zu fürchten habe, der ist nicht dabei. Komm ein Stück wieder zurück, und dann lassen wir uns sehen.«
    Sie schritten leise retour und traten dann laut auf das Feuer zu.
    Die um dasselbe Versammelten vernahmen ihr Nahen und blickten sich um. Als sie zwei Männer erkannten, die eine ernste ehrwürdige Pilgermiene machten, grüßten sie: »Ihr kommt ganz gewiß weit her. Wie schwitzet Ihr?«
    Dieser Gruß ist der unter den Indiern allgemein übliche, da in diesem heißen Lande die Transpiration ein Zeichen der Gesundheit ist, während das Ausbleiben des Schweißes auf eine nahende und jedenfalls gefährliche Krankheit deutet.
    »Wir danken Euch, Ihr Brüder,« antwortete der Kundschafter. »Wir schwitzen gut, und dafür ist Gott zu danken, da wir eine weite Reise hinter uns haben.«
    »Wo kommt Ihr her?«
    »Von den heiligen Bergen da oben, wo die Sonne kein Eis verzehren kann.«
    »Was habt Ihr dort gethan?«
    »Wir waren an der berühmten Quelle von Ahabar, aus welcher der heilige Stier der Berge trinkt. Wer von ihrem Wasser kostet, dem sind alle Sünden vergeben und er hat sogar auch noch Vergebung übrig für Alle, die ihr Lager und ihren Reis mit ihm theilen. Wie schwitzet Ihr?«
    »Wir schwitzen sehr, denn wir haben dieses große Schiff zu regieren.«
    »Wo wollt Ihr hin?«
    »Hinunter nach Kalkutta. Und ihr, meine frommen Brüder?«
    »Auch nach Kalkutta.«
    »So weit?«
    »Das ist nicht weit. Das Reich der Laskaren ist größer und weiter als von Kalkutta nach Ahabar und von da wieder zurück nach der Stadt des Stromes.«
    »Wie, Ihr seid Laskaren?« frug der Mann, der jedenfalls der Führer der Badaya war.
    »Ja.«
    »So seid uns willkommen! Setzt Euch nieder und esset und trinket mit uns. Dann sollt Ihr uns von Eurer frommen Reise erzählen.«
    Das ließen sie sich nicht zweimal sagen. Sie setzten sich und erhielten ihren Reis. Dann bereitete sich ein jeder nach indischer Sitte sein Essen abgesondert von jedem Andern und verzehrte es, nachdem er sich so plazirt hatte, daß er von niemand beobachtet werden konnte.
    Einer der Schiffer, welcher mit seinem Male zuerst fertig geworden war, griff an den Stamm eines Pfefferstrauches, an welchem seine Raflah hing. Er stimmte die Saiten und sang ein Lied, welches er mit einförmigen Griffen begleitete.
    »Nun erzählt uns von Dem, was Ihr gesehen habt,« meinte der Schiffer.
    »Laß diesen Mann erst noch sein Lied singen,« bat Lidrah. »Ich liebe die Raflah und das Lied und habe seit langer Zeit keines gehört.«
    »So spielest Du die Saiten wohl auch selbst?«
    »Ja, Sahib.«
    »Und singest dazu?«
    »Ja.«
    »So sollst Du uns ein Lied singen. Nimm die Raflah, und wenn mir Dein Lied gefällt, dann nehme ich Euch umsonst bis nach Kalkutta mit.«
    »Deine Seele ist voller Güte und Dein Herz voller Barmherzigkeit, Sahib,« antwortete Lidrahl im höchsten Grade erfreut über das glückliche Gelingen seiner Absichten. »Ich werde mir Mühe geben, Dir und den Deinen zu gefallen.«
    Er nahm die Raflah, gab den Saiten eine andere Stimmung und begann:
     
    »Es treibt die Fanna heimathslos
    Auf der bewegten Fluth,
    Wenn auf dem See gigantisch groß
    Der Talha Schatten ruht.«
     
    Alle Anwesenden horchten auf. Das waren ganz andere Klänge, als sie zu hören gewohnt waren. Lidrah bemerkte es und fuhr fort:
    »Er breitete die Netze aus
    Im klaren Mondesschein,
    Sang in die stille Nacht hinaus
    Und träumte sich allein.«
     
    Jetzt erschien über dem Borde des Fahrzeuges ein Männerkopf, der seine dunklen Augen auf den Sänger richtete, welcher weiter sang:
    »Da rauscht’ es aus den Fluthen auf,
    So geisterbleich und schön;
    Er hielt den Kahn in seinem Lauf
    Und ward nicht mehr gesehn.«
     
    Da war neben dem Männerkopfe ein wunderbar schönes Frauenantlitz zu erblicken. Kein Schleier deckte es, kein vorgehaltenes Tuch verbarg es vor dem Auge des Kundschafters, welcher jetzt das Lied beendete:
    »Nun treibt die Fanna heimathslos
    Auf der bewegten Fluth,
    Wenn auf dem See gigantisch

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