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Die Juweleninsel

Die Juweleninsel

Titel: Die Juweleninsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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groß
    Der Talha Schatten ruht.«
     
    Die Männer schlugen zum Zeichen ihres Beifalles mit den Händen auf ihre Knie. Lidrah achtete gar nicht darauf. Sein Auge war auf den schönen Mann gerichtet, welcher jetzt an einer von Palmenfasern gedrehten Strickleiter vom Schiffe an das Ufer stieg und zum Feuer trat. Es war Maletti.
    »Wer bist Du?« frug er den Kundschafter.
    »Ein Laskar, Namens Lidrahl Sahib.«
    »Ein Laskar? Wie kommst Du hierher?«
    »Ich und mein Bruder Kaldi hier kehren von einer Pilgerschaft zurück.«
    »Du singst und spielst, wie ich es von einem Indier noch nie gehört habe.«
    »Ich habe es von einem Manne gelernt, der aus dem Lande der Franken kam.«
    »Dachte es. Kannst Du noch mehrere solcher Lieder?«
    »Ja, Sahib.«
    »Die Sahiba dort oben will gern noch eines hören.«
    »Wenn sie es befiehlt, so werde ich ihr sehr gern gehorsam sein, Sahib.«
    Er nahm das Instrument wieder zur Hand und begann mit einigen einleitenden Griffen in die Saiten. Er sah die prächtigen Augen Rabbadah’s auf sich gerichtet; er fühlte sich wie getroffen von einem Strahle, den er so heiß noch niemals gefühlt hatte, und begann sein Lied mit einer Stimme, die allerdings nicht unschön genannt werden konnte:
    »Die Lotosblume blühet
    So einsam auf dem See;

In stiller Sehnsucht siehet
    Verlangend sie zur Höh.
     
    Des Ufers Schatten ruhten,
    Ach lange schon so kalt,
    Rings auf den tiefen Fluthen,
    Die sie so kühl umwallt.
     
    Nun möchte sie gar balde
    Den Strahl der Sonne sehn,

Vor dem zum dunklen Walde
    Die finstern Schatten gehn.
     

Und sinnend durch die Fluthen
    Fahr ich mit meinem Kahn;

Es hats mit ihren Gluthen
    Die Lieb’ mir angethan.
     

Ich bin mit meinem Leide
    So einsam und allein,
    Und möcht an ihrer Seite
    Doch gerne glücklich sein.
     
    Und doch in ihren Blicken,
    Die nimmer mich verstehn,
    Will es mir niemals glücken,
    Der Liebe Strahl zu sehn.«
     
    Das Lied war zu Ende und erhielt ganz denselben Beifall wie das vorige.
    »Ich bin zufrieden mit Dir,« meinte der Führer des Schiffes. »Ihr sollt Beide mit uns nach Kalkutta gehen. Ihr seid Laskaren und kennt also die Schifffahrt?«
    »Ja, Sahib.«
    »Erlaubt Euch Eure fromme Pilgerschaft, auf einem Schiffe zu arbeiten?«
    »Ja, wenn wir die Zahl der Gebete einhalten, welche wir gelobt haben.«
    »Ihr sollt sie einhalten und dennoch einen guten Lohn erhalten, wenn Ihr mir bis Kalkutta zuweilen mithelfen wollt, die Segel zu richten oder etwas Anderes zu thun.«
    »Wir wollen Dir gerne helfen, Sahib. Laß uns nur Deine Befehle wissen.«
    Maletti stieg auf das Deck der Badaya zurück. Er war die einzige Person, die sich jetzt mit Rabbadah dort befand. Sie hatte sich am Steven niedergesetzt und erwartete ihn.
    »War dieser Mann ein Eingeborener?«

»Ja.«
    »Aber er sang so fremd und schön, wie ich mir nach der Beschreibung meines Bruders die Lieder der Franken vorgestellt habe.«
    »Er hat die seinigen allerdings auch von einem Franken gelehrt bekommen.«
    »Wunderbar, daß Ihr Franken alles besser wißt und besser könnt als wir!«
    »Das hat zwei sehr wichtige Gründe, Sahiba.«
    »Hast Du schon wieder vergessen, daß Du mich nicht mit diesem Titel nennen sollst!«
    »Verzeihe mir! Ich bin ein armer Krieger, Du aber bist eine reiche Fürstin.«
    »Die Fürsten stammen aus der Kriegerkaste, und mein Reichthum ist mir nicht so werth wie der Deinige. Der Geist und die Seele stehen höher als Gold und Silber. Aber sage mir, welche Gründe Du meintest!«
    »Bei uns gibt es keine Kasten; ein jeder kann werden, was er will, und die Gaben ausbilden und gebrauchen, welche er von Gott geschenkt erhalten hat.«
    »So könnte bei Euch ein Paria ein Priester, ein Brahmane werden?«
    »Ja, denn Gott schuf Beide zu seinem Bilde. Nicht die Geburt gibt dem Menschen seinen Werth, sondern der Mensch ist gerade so hoch oder so niedrig wie seine Gedanken, welche er denkt, seine Gefühle, welche er empfindet, und seine Thaten, welche er thut.«
    »Das klingt so schön und richtig, aber ich kann es nicht verstehen. Vielleicht kommt die Zeit, in welcher ich weiß, was Du sagen willst. Und der zweite Grund?«
    »Bei uns hat das Weib dieselben Rechte, wie der Mann sie hat.«
    »Erkläre mir dies!«
    »Das Mädchen wird so frei geboren wie der Knabe; es wird ihm Alles gelehrt, was es lernen will; es kann sich seinen Gatten wählen und ist nicht die Sklavin desselben. Es nimmt Theil an seinen Freuden und seinen Leiden und hat über die Kinder ganz dieselbe

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