Die Juweleninsel
einem niederschmetternden Blicke auf Fritz verließ er den Schauplatz seiner moralischen Niederlage.
Bald darauf erschien Frau Barbara mit dem Morgenkaffee, bei welchem alle Neuigkeiten gegenseitig ausgetauscht wurden. Man war damit noch lange nicht fertig, als sich die Thür öffnete und eine Person eintrat, bei deren Anblick sich Alle sofort erhoben.
Es war Max, der Kronprinz.
»Guten Morgen,« grüßte er freundlich. »Frau Barbara, mir auch eine Tasse!«
»Augenblicklich!« knixte sie und verschwand in der Küche.
»Thomas, hast Du heute Zeit zum Beschlagen?«
»Zu Pefehl, Königliche Hoheit!«
»So komme auf das Schloß. Ah, da ist der Besuch wohl bereits eingetroffen?«
»Zu Pefehl, Königliche Hoheit! Sie hapen meinen Neffen noch nicht gesehen?«
»Nein.«
»Der da ist es, mit dem plonden Haare und den schwarzen Augen.«
Der Kronprinz reichte Kurt die Hand.
»Willkommen in der Heimath, Herr Schubert! Sie tragen einen Namen, den ich gern nennen höre. Ich hoffe, daß er mir öfters genannt werde. Und dieser Herr? Ein Kamerad von ihnen, der sich Ihnen angeschlossen hat?«
»Graf Karl von Mylungen, Königliche Hoheit.«
»Mylungen? Ein Süderländer? Ah, ich erinnere mich. Sie wurden bei uns naturalisirt, damit Sie nicht in die Dienste Süderlands zu treten brauchten?«
»So ist es, Königliche Hoheit,« antwortete der junge Graf.
»Diese interessante Angelegenheit kam auch mir in die Hand, und ich gab meine Unterschrift und mein Fürwort, ohne den Grund zu kennen, der Sie veranlaßte, norländische Dienste zu nehmen. Darf man ihn erfahren?«
»Königliche Hoheit, Familienangelegenheiten – –«
»Ah, so – –! Man darf nicht allzu wißbegierig sein, aber es ist mir doch, als ob ein Weniges von diesen Familienangelegenheiten auch vor mir zur Sprache gekommen sei. Erscheint Ihr Herr Vater bei Hofe?«
»Nein.«
»Ich höre, der König von Süderland schenke ihm seine Achtung.«
»So ist es, Papa aber zieht sich zurück, um Begegnungen zu vermeiden, welche sehr im Stande sein dürften, unangenehme Gefühle in ihm zu erwecken.«
»Ich verstehe das, und da ich die betreffende Person genau kenne, so sagen Sie Ihrem Vater, dem Grafen, daß ich ihm gern zur Verfügung stehe, wenn es einmal gelten sollte, die betreffenden Angelegenheiten zu entwickeln.«
Hierauf wandte er sich wieder an Kurt:
»Wie lange bleiben Sie hier?«
»Nur einige Stunden, Hoheit.«
»Oho!« fiel Schubert ein. »Ich glaupe gar, heute schon wieder fortgehen!«
»Allerdings, Onkel; aber ich komme sehr bald wieder.«
»Wo willst Du denn hin?«
»Das ist sehr leicht zu errathen: zum General. Ich bin sein Pflegesohn, und da versteht es sich von selbst, daß ich mich ihm noch heute vorstelle.«
»Weiß er wann Du kommst?«
»Ich habe geschrieben, daß ich morgen komme; ich will ihn überraschen, gerade wie Euch.«
»Aper Du mußt sehr pald wiederkommen, das sage ich Dir sehr ernstlich!«
»Gewiß, Onkel; Du kannst darauf rechnen.«
»Und wenn Du nach Helpigsdorf kommst, so grüße mir Deine Mutter.«
»Versteht sich!«
»Und die kleine Magda, und den Herrn General und die drei Jungfern.«
»Natürlich Alle!«
»Und – ja, was ich sagen wollte, ich hape einen Prief pekommen. Rathe einmal, von wem er ist!«
Ueber das Gesicht Kurts fuhr die Röthe der Freude.
»Von – von meinem Vater?«
»Ja.«
»Wo hast Du ihn?«
»Dropen in der Kommode.«
»Hole ihn, lieber Onkel, hole ihn! Ach, Entschuldigung, Königliche Hoheit!«
»Geniren Sie sich nicht! Es ist leicht begreiflich, daß der Sohn sich sehnt eine Nachricht vom Vater zu erhalten. Apropos, Sie haben ihn noch gar nicht gesehen?«
»Noch niemals.«
»Seltsame Umstände! Die Verhältnisse haben es so gefügt, daß sein Schiff sehr lange Zeit die Heimath nicht angelaufen hat. Aber geschrieben haben Sie?«
»Oefters; doch ist es unsicher, ob er meine Briefe erhalten hat.«
»Er mag Urlaub nehmen!«
Jetzt kam der Wirth, welcher sich entfernt hatte, wieder zurück und brachte einen Brief, der allem Anscheine nach sehr oft durchgelesen worden war. Kurt nahm ihn in Empfang und blickte auf den Kronprinzen.
»Lesen Sie immerhin,« meinte dieser. »Ich bitte sogar ihn vorzulesen, denn ich möchte selbst gern wissen, was der alte ehrliche Steuermann schreibt.«
Kurts Augen hafteten mit sichtbarer Rührung an dem höchst sonderbar stilisirten Brief, dessen Orthographie eine ebenso eigenthümliche war wie die Schrift, welche dem Schreiber sicher manchen Tropfen
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