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Die Juweleninsel

Die Juweleninsel

Titel: Die Juweleninsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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dem Anblicke Zarba’s.
    »Ihr Männer der Zingaren, habt Ihr Waffen bei Euch?« frug sie.
    »Ja.«
    »So folgt mir: Es gibt einen großen Fang zu machen.«
    Sie wandte sich seitwärts wieder in den Wald hinein. Die Andern alle schritten hinter ihr her. Es war keine Spur der vorigen Mattigkeit mehr in ihr vorhanden. Sie schritt wohl über eine Viertelstunde lang rüstig vorwärts, bis sie an eine Stelle gelangte, wo sich die aus dem Niederlande kommende Straße nach zwei verschiedenen Richtungen theilte. Hier blieb sie unter den Bäumen stehen und wandte sich an Karavey. Den Steuermann hatte sie bisher gar nicht beachtet.
    »Wenn er nicht über Wiesenstein ist, so muß er hier vorüber,« meinte sie. »Wir besetzen – –«
    Sie hielt inne, denn in diesem Augenblick ließ sich das leichte und schnelle Rollen von Rädern vernehmen, und gleich darauf erschien eine mit zwei Pferden bespannte Kutsche. Einer der Zigeuner war in unvorsichtiger Weise etwas vorgetreten, der Kutscher bemerkte ihn und wandte sich um, indem er an das vordere Wagenfenster klopfte. Sofort öffnete sich das Fenster auf der einen Seite und es erschien ein Kopf, der mit einem durchdringenden Blicke die Gegend musterte.
    »Ah, Zarba!« murmelte er. Dann fügte er halblaut hinzu: »Kutscher, ein Ueberfall. Schnell anfahren, wenn sie kommen!«
    Es war der Prinz. Vor ihm saß Magda. Die Hände waren ihr gebunden, und ein Tuch verschloß ihr den Mund, so daß sie nicht reden oder rufen konnte. Aber sie hatte die Worte des Prinzen vernommen, und ihre Augen leuchteten hoffnungsfreudig auf. Er bemerkte es und lächelte ihr höhnisch zu.
    »Habe keine Sorge, Schatz,« meinte er; »man wird unser schönes tête-à-tête nicht zerreißen; dafür garantire ich!«
    Er zog eine Doppelpistole aus der Tasche und spannte die Hähne. Es war gerade die höchste Zeit, denn soeben trat Zarba zwischen den Bäumen hervor, hinter und neben ihr die Zigeuner nebst Karavey und dem Steuermanne. Sie wußten natürlich nicht ob sie die richtige Kutsche vor sich hatten, aber Zarba trat vor und erhob den Stock.
    »Halt!« gebot sie dem Kutscher mit lauter Stimme.
    Dieser schlug auf die Pferde ein. Sie zogen aus allen Kräften an; in demselben Augenblicke krachten aus dem geöffneten Wigenschlage zwei Schüsse; Zarba und einer der Zigeuner stürzten zu Boden und der Wagen schoß mit einer Schnelligkeit davon, daß er unmöglich einzuholen war.
    An dieses letztere dachte man auch gar nicht, denn alle hatten sich über Zarba gebeugt, welcher die Kugel in die Brust gedrungen war. Der Zigeuner war blos am Arme verwundet. Karavey kniete neben ihr, um die Verletzung zu untersuchen. Sie hielt die Augen geschlossen und bewegte sich nicht. Es war, als ob sie bereits todt sei.
    »Zarba!« rief der Bootsmann. »Sprich, rede! Lebst Du noch?«
    Sie behielt die Augen geschlossen, aber sie antwortete:
    »Er war es.«
    Die Stimme klang leise wie im Verlöschen.
    »Wer? Der Prinz? Hast Du ihn erkannt?«
    »Ja.«
    »Er soll es büßen!«
    Da stemmte sie den einen Arm auf die Erde und versuchte, sich emporzurichten. Es gelang ihr nicht. Sie fiel wieder zurück. Aber aus ihren jetzt geöffneten Augen schoß ein Strahl ausgesprochenster Rache hervor.
    »Ja, Karavey, Blut gegen Blut! Er hat die letzte Königin der Zingaren getödtet; er möge doppelt und dreifach sterben. Er ist entkommen, aber Du wirst ihn finden.«
    »Wo? Sage es!«
    »Auf Burg Himmelstein.«
    »Wir werden nicht eingelassen!«
    »Ich kenne die Verließe der Burg und des Klosters. Der geheime Eingang ist im oberen Steinbruche unter den Brombeerranken.«
    »Wie erkennt man ihn?«
    »Es ist ein viereckiger Rasenflecken, in dessen Mitte sich ein Wurzelstummel befindet. O, Karavey, ich gehe – wie der Stern, wie die Blume, ich sagte es. Bhowannie ruft. Leb wohl, und räche mich!«
    »Zarba, Du darfst nicht sterben, Du mußt leben!«
    »Ich gehe! Begrabe mich im Walde – unter Felsen und Tannen. Ich versinke und verschwinde wie unser Volk, ohne Heimath, im Windesrauschen, leb wohl, leb wohl!«
    Die seit langen Jahren gekrümmten Glieder streckten sich aus. Noch einmal öffnete sie groß und voll die Augen, um mit dem brechenden Blicke das dunkle Grün der Tannen einzusaugen, dann schlossen sie sich für immer. Karavey warf sich über sie hin. Sein Körper zuckte unter dem Schmerze, der ihn durchzitterte, aber über seine Lippen kam nicht ein einziges Wort. Die Andern standen schweigend um ihn her.
    Da erschallten rasche Schritte. Zwei

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