Die Juweleninsel
Ingwer-und Pfeffersträucher heran. Sie war vollständig überzeugt, daß man sie nicht gesehen habe und ließ sich hinter einem der Bäume so nieder, daß sie die Bank überblicken konnte. Nur der Rajah war da. Der Franke fehlte noch.
Eine Weile verging in lautloser Stille, dann aber machte der Rajah eine plötzliche Bewegung.
»Rabbadah!«
Sie erschrak und zuckte zusammen, als ob sie einen Schlag erhalten habe.
»Rabbadah, bist Du da?«
Sie schwieg und wagte nicht sich zu bewegen. Ihr Puls klopfte, daß sie seine Hammerschläge deutlich vernahm. Der Rajah ließ ein leises Lachen hören. Ohne daß er sich umwandte, sagte er mit halblauter Stimme: »Warum frugst Du, wohin ich ihn bestellt habe, und warum wolltest Du so gern, daß er nicht auf mich warten solle. Nun muß ich selbst auf ihn warten.«
Sie war halb todt. Wie konnte sie den Bruder jemals wieder anblicken!
Da nahten sich Schritte. Eine hohe Gestalt erschien und blieb vor dem Rajah stehen.
»Maletti!«
»Sahib!«
»Du kommst sehr spät. Setze Dich!«
»Ich komme sehr spät, weil ich zwei Schlangen beobachtete, welche ihr Gift nach Deinem Glücke spritzen wollen.«
»Wer ist es?«
»Wirst Du mir glauben?«
»Ich glaube Dir.«
»Und wirst Du mich nicht für einen Schleicher, für einen Spionen halten, der Andere ertappt, weil er selbst das Dunkel liebt?«
»Ich selbst habe Dich in das Dunkel bestellt.«
»Nun wohl, so sollst Du es erfahren. Die eine der Schlangen ist Tamu, Dein Minister, dessen Worte ich gehört habe.«
»Ich weiß es.«
»Ah, Du weißt es bereits?«
»Ich kenne auch die andere Schlange. Es ist der Rittmeister Mericourt.«
»Wahrhaftig!«
»Aber ihre Worte kenne ich nicht. Willst Du sie mir sagen?«
»Ich kam vom General und wollte in den Garten zu Dir. Meine Schritte waren auf den Decken zwischen den Säulen unhörbar. Eben wollte ich meinen Fuß hinter der letzten Säule hervorsetzen, als ich einen Mann sah, welcher aus dem Garten kam. Es war der Minister. Aus den Muskatbäumen vor der Säule tauchte eine Gestalt auf, in welcher ich den Rittmeister Mericourt erkannte. ›Nun, hast Du mit dem Rajah gesprochen?‹ frug der Rittmeister. – ›Ja,‹ antwortete der Minister. ›Was sagte er?‹ lautete die weitere Frage. – ›Er trauert.‹ ›Warum?‹ – ›Weil er ahnt, daß ich Euer Freund geworden bin.‹ – ›Und Du trauerst mit?‹ – Da antwortete Tamu: ›Nein. Ich habe seinem Vater treu gedient, denn er wußte meine Treue zu belohnen, dieser aber mästet seine Unterthanen und läßt seine Minister hungern. Verdoppele die Summe, welche Du mir geboten hast, und das Königreich Augh ist Euer.‹«
Der Rajah war aufgesprungen und ballte die Fäuste.
»Und was gab darauf der Rittmeister zur Antwort?«
»Er sagte, daß man darüber noch zu sprechen habe. Dann traten sie in den Palast. Ich ließ sie an mir vorüber und folgte ihnen dann, ohne daß sie mich bemerkten. Sie gingen durch den Palast hindurch und dann durch den Garten des Ministers nach dessen Wohnung. Ich blieb eine Zeit lang stehen, aber der Rittmeister kam noch immer nicht, und da ich wußte, daß Du auf mich wartest, durfte ich Deine Geduld nicht länger ermüden.«
»Der Rittmeister ist ein Franke wie sein Name sagt?«
»Ja.«
»Und dennoch stellst Du Dich auf meine Seite anstatt auf die seinige?«
»Dich liebe ich, ihn aber verachte ich. Er ist wie das Gewürm, welches man zertritt ohne es anzugreifen. Uns hat ein gleiches Land geboren ebenso, wie der Giftstrauch neben dem nützlichen Bambus wächst. Mir ahnt, daß er einst von meiner Hand sterben wird.«
»Er muß Dich sehr beleidigt haben.«
»Ich würde ihn verachten auch ohne diese Beleidigung. Er hat einst ein edles Weib gekränkt, die meine mütterliche Freundin war. Ich habe sie an ihm zu rächen.«
»Vielleicht will er auch Dich verderben.«
»Das hat er längst gewollt. Heute aber hat er mir den offenen Fehdehandschuh hingeworfen; ich habe ihn aufgehoben und werde diesen Menschen unschädlich machen.«
»Er war wohl beim Generale zugegen, als Du zu diesem gerufen wurdest?«
»Ja. Er empfing mich an Stelle des Generales.«
»Was wollte er von Dir?«
»Er forderte Rechenschaft von mir, daß ich Deine Anwesenheit in Kalkutta nicht verrathen hatte. Er stellte mich ferner zur Rede darüber, daß ich auch heut nicht gesagt hatte, daß Du es seist, der den General empfing. Er erklärte mich meiner Freiheit verlustig, indem er mir den Degen abforderte, und versprach mir nach
Weitere Kostenlose Bücher