Die Juweleninsel
zu verarbeiten, bevor es ihm möglich war, Schlaf und Ruhe zu finden. Es zog ihn nach dem Platze, an welchem sein Leben eine höchst bedeutungsvolle Wendung dadurch genommen hatte, daß er vom Rajah in einen so wichtigen Dienst genommen worden war. Mit gesenktem Kopfe und in tiefes Sinnen versunken war er durch den Garten gegangen, erst als er an dem vorhin verlassenen Platze anlangte, erhob er den Blick und gewahrte zu seiner Bestürzung, daß er sich vor einer weiblichen Gestalt befand, welche sich erschrocken von ihrem Sitze erhob.
Er kannte die strenge Sitte des Landes; er wußte vor allem, daß es hier im Palaste und Garten des Rajah bei hoher Strafe verboten war, die Begegnung mit irgend einem Weibe aufzusuchen, aber er befand sich ja in demjenigen Theile des Gartens, welcher von den Männern betreten werden durfte, und das gab ihm die Kraft, seiner Bestürzung Herr zu werden.
Auch sie war erschrocken; ihre ganze Haltung zeigte es, doch sie erkannte ihn, hüllte sich fester in ihr Gewand, machte aber keine Bewegung, welche die Absicht sich zu entfernen verrathen hätte.
»Verzeihe!« bat er nach einer kurzen Pause. »Ich dachte nicht, jemand hier zu finden.«
Er wandte sich zur Rückkehr um.
»Bleibe!« gebot sie.
Der Ton dieser Stimme hatte etwas so Gebieterisches und doch so Liebliches, er drang durch das Ohr des Hörers bis in das tiefste Leben desselben hinab. Maletti gehorchte und drehte sich wieder um.
»Was befiehlst Du?« frug er.
»Setze Dich!«
Er ließ sich nieder und sie nahm in einer kleinen Entfernung neben ihm Platz.
»Wie ist Dein Name?« begann sie.
»Alphons Maletti.«
»Du gehörst zu den Inglis?«
»Ich bin ein Frankhi, ich gehörte bis heut zu ihnen, jetzt aber nicht mehr.«
»Warum nicht mehr?«
Er zögerte mit der Antwort.
»Wer bist Du?« erkundigte er sich dann.
»Mein Name ist Rabbadah. Hast Du noch nicht von mir gehört?«
Er machte eine Geste der höchsten Ueberraschung.
»Rabbadah, die Begum 6 , die Schwester des Maharajah, die Blume von Augh, die Königin der Schönheiten Indiens? O, ich habe von Deinem Ruhme, von Deiner Herrlichkeit und von der Güte Deines Herzens, der Weisheit Deines Verstandes viel, sehr viel gehört, noch ehe ich dieses Land betrat.«
Sie zauderte einen Augenblick, dann sagte sie:
»Ja, ich bin die Begum, und Du kannst mir also sagen, warum Du nicht mehr zu den Inglis gehörst.«
»Weil ich ein Diener Deines Bruders, des Maharajah von Augh, geworden bin.«
»Auf welche Weise dienst Du ihm?«
»Er hat mir die Reorganisation seiner Truppen übergeben.«
»So muß er ein großes Vertrauen zu Dir haben.«
»Ich liebe ihn!«
»Ich danke Dir, denn auch ich liebe ihn. Aber laß Deine Liebe nicht sein wie diese Blume, welche nur kurze Zeit duftet und dann stirbt!«
Sie pflückte eine nahestehende Rose ab und enthüllte dabei einen Arm, dessen herrliche Formen ihm die Pulse schneller klopfen machten.
»Meine Liebe und Treue gleicht nicht der Blume, welche bald stirbt, sondern dem Eisenholzbaume, der sich von keinem Winter fällen läßt.«
»Dann segne ich den Tag, welcher Dich zu meinem Bruder führte.«
Sie reichte ihm die Rose dar; er nahm sie und berührte dabei ihr kleines, zartes, warmes Händchen. Diese Berührung elektrisirte ihn förmlich, so daß er es wagte, die duftende Blüthe an seine Lippen zu drücken.
»Ich danke Dir, Sahiba! 7 Diese Rose wird noch bei mir sein, wenn ich einst sterbe!«
»Du wirst dieser Rosen schon sehr viele erhalten haben!«
»Es ist die erste!«
»Du sagst die Wahrheit?«
»Ich lüge nie.«
»Das weiß ich. Du bist keiner Lüge und keines Verrathes fähig.«
Er erstaunte.
»Woher weißt Du das?«
»Hast Du meinen Bruder verrathen?«
»Nein. Aber was weißt Du von mir und ihm?«
»Ich kannte Dich und Deinen Namen noch ehe Du nach Augh kamst. Er hat mir von Dir erzählt. Ich bin seine Vertraute, der er Alles mittheilt, was sein Herz bewegt. Du sollst seine Sorgen theilen. Darf ich auch Deine Vertraute sein?«
Bei dieser leise und zögernd ausgesprochenen Frage erbebte er bis in sein tiefstes Innere hinein.
»O wenn dies möglich wäre, Sahiba!«
»Es ist möglich, und ich bitte Dich darum,« antwortete sie. »Es gibt manches, was ein Diener aus Liebe seinem Herrn verschweigt, um ihm keine Sorgen zu machen, und dies Alles sollst Du mir anvertrauen. Willst Du?«
»Ich will es.«
»Schwöre es mir.«
»Ich schwöre es!«
»Doch darfst Du mir von jetzt an nichts verschweigen, bis ich Dich
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