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Die Kälte Des Feuers

Die Kälte Des Feuers

Titel: Die Kälte Des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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verstummte, doch das Licht blieb. Es vibrierte und schimmerte, wurde dunkler, dann wieder heller. Es durchdrang die Wände, bildete zahllose, voneinander getrennte amöbenhafte Erscheinungen, die sich ständig veränderten. Jim dachte in diesem Zusammenhang an die eindimensionale Darstellung der Kaleidoskopmuster einer alten Lampe. Die wechselhaften Formen entstanden überall um sie herum, sie erfaßten nicht nur die Wände, sondern reichten auch über die Decke.
    »Man könnte meinen, wir säßen in einer Tauchkugel ganz aus Glas, die durch einen tiefen Ozean gleitet«, sagte Holly. »Große Schwärme lumineszierender Fische schwimmen auf allen Seiten durch das dunkle Wasser.«
    Jim bewunderte ihre Fähigkeit, das Erlebnis in ausdrucksstarke Worte zu kleiden, die dafür sorgten, daß er die beobachteten Bilder nie vergessen würde, selbst wenn er Gelegenheit bekam, seinen hundertsten Geburtstag zu feiern.
    Das geisterhafte Leuchten kam zweifellos aus dem Innern der Steine und nicht von ihrer Oberfläche. Jim konnte jetzt in den durchsichtig gewordenen Kalkstein sehen, als sei er durch Magie in einen dunklen, aber recht klaren Quarz verwandelt worden. Das bernsteinfarbene Licht glühte heller als die Lampe, die er heruntergedreht hatte. Seine bebenden Hände glänzten in einem goldfarbenen Ton, ebenso wie Hollys Gesicht.
    Doch in den Ecken der Kammer hafteten Schatten fest, und das pulsierende Licht verlieh auch ihnen ein eigentümliches Leben.
    »Was jetzt?« fragte Holly leise.
    Jims Blick fiel auf den Schreibblock zwischen ihnen. »Sieh nur.«
    Worte zeigten sich im oberen Drittel der ersten Seite. Sie schienen von einem in Tinte getauchten Finger zu stammen:
    ICH BIN BEI EUCH.

6
    Das glitzernde Licht hatte Holly abgelenkt und zutiefst beeindruckt -, aber sie glaubte nicht, daß Jim in der Lage gewesen wäre, jene vier Worte mit dem Filzstift oder einem anderen Instrument aufs Papier zu schreiben, ohne ihre Aufmerksamkeit zu wecken. Dennoch konnte sie kaum glauben, daß es sich um die Botschaft einer körperlosen Präsenz handelte.
    »Ich glaube, die Wesenheit erwartet Fragen von uns«, sagte Jim.
    »Dann frag sie, was sie ist«, erwiderte Holly sofort.
    Jim schrieb etwas auf den zweiten Schreibblock und zeigte ihn anschließend Holly.
    Wer bist du?
    Die Antwort erschien auf dem ersten Block, der so zwischen ihnen lag, daß sie beide die Worte darauf lesen konnten. Sie brannten sich nicht ins Papier und wurden auch nicht von Tinte geformt, die aus der leeren Luft herabtropfte. Die unregelmäßig geformten, irgendwie krakeligen Buchstaben formten zunächst graue Andeutungen und wurden dann dunkler, schienen aus dem Papier zu fließen, als sei das Blatt nicht papierdünn, sondern eine mehrere Meter tiefe Lache aus schwarzer Flüssigkeit. Holly fühlte sich an den Effekt erinnert, den sie vorher gesehen hatte, als Lichtkugeln in der Teichmitte aufstiegen, zerplatzten und konzentrische Ringe aus hellem Glanz bildeten, die langsam zum Ufer rollten. Außerdem war auf diese Weise das Glühen in den Wänden entstanden, bevor der Kalkstein kristallartig transparent wurde.
    DER FREUND.
    Wer bist du? - Der Freund.
    Holly hielt diese Vorstellung für seltsam. Nicht >dein< oder >ein< Freund, sondern der Freund.
    Für eine außerirdische Intelligenz - wenn sie es wirklich damit zu tun hatten - enthielt diese Bezeichnung eigentümliche religiöse Andeutungen; sein Begriffsinhalt legte etwas Göttliches nahe. Der Mensch hatte Gott viele Namen - Jehovah, Allah, Brahma, Zeus, Aesir und noch mehr Titel gegeben: Gott der Allmächtige, der Ewige, der Unendliche, Vater, Erlöser, Schöpfer, das Licht. Der Freund schien eine Erweiterung dieser Liste zu sein.
    Jim schrieb rasch eine zweite Frage und zeigte sie Holly: Woher kommst du?
    VON EINER ANDEREN WELT.
    Das konnte alles bedeuten, vom Himmel bis zum Mars.
    Meinst du einen anderen Planeten?
    JA.
    »Mein Gott!« entfuhr es Holly. Sie hatte eine ruhige Beobachterin bleiben wollen, aber trotzdem regte sich Ehrfurcht in ihr.
    Reiß dich zusammen, dachte sie.
    Sie sah vom Block auf und begegnete Jims Blick. Seine Augen glänzten heller als jemals zuvor, und das chromgelbe Licht verlieh ihnen einen außergewöhnlichen grünen Ton.
    Zunehmende Aufregung ließ eine Unruhe in ihr entstehen, die Bewegung verlangte. Sie erhob sich, sank dann aber auf die Fersen. Die Auskünfte der Wesenheit beanspruchten das ganze erste Blatt des Schreibblocks. Holly zögerte nur kurz, riß es ab und legte es

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