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Die Kälte Des Feuers

Die Kälte Des Feuers

Titel: Die Kälte Des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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entschied erneut, ihn nicht zu stören.
    Sie kehrte zum Fenster zurück, hielt den Antwort-Block ins Licht, sah auf die fünfte Seite - und spürte, wie sich ihre Nackenhaare aufrichteten. Ein kalter Schauer rann ihr über den Rücken.
    Behutsam blätterte sie zu den nächsten Seiten, damit das Papier nicht lauter raschelte als unbedingt notwendig, ließ ihren Blick über die sechste, siebte und achte Seite schweifen. Dort zeigten sich die gleichen Zeilen. Deutlich erkannte Holly die krakelige Schrift des Freundes, mit der er seine Botschaften schrieb, als er seinen Worte-steigen-wie-durch-Wasserauf-Trick benutzte. Aber diesmal waren es keine Antworten auf die vorbereiteten Fragen. Zwei verschiedene Bemerkungen wiederholten sich, ohne Satzzeichen, jeweils dreimal auf jeder Seite.
    ER LIEBT DICH HOLLY ER WIRD DICH TÖTEN HOLLY
    ER LIEBT DICH HOLLY ER WIRD DICH TÖTEN HOLLY
    ER LIEBT DICH HOLLY ER WIRD DICH TÖTEN HOLLY
    Sie starrte auf diese wie zwanghaft wiederholte Mitteilung hinab und wußte, daß mit >er< nur Jim gemeint sein konnte. Sie konzentrierte sich allein auf die fünf haßerfüllten Worte und versuchte, sie zu verstehen.
    Und plötzlich glaubte sie, einen Sinn darin zu erkennen. Der Freund wies darauf hin, daß er sich in seinem Wahnsinn gegen sie wenden konnte. Vielleicht haßte er sie, weil sie Jim zur Mühle gebracht hatte, weil sie ihn veranlaßte, nach Antworten zu suchen, weil sie ihn von seinen Missionen ablenkte. Der Freund stellte die gesunde Hälfte der fremden Wesenheit dar. Wenn er Kontakt mit Jims Bewußtsein aufnehmen und ihn dazu bringen konnte, bestimmten Menschen das Leben zu retten - war dann die dunkle Seite, der Feind, in der Lage, solchen Einfluß auf ihn zu nehmen, daß er tötete? Vielleicht verzichtete der irrsinnige Persönlichkeitsaspekt darauf, noch einmal zu materialisieren, so wie Freitagnacht im Motel und gestern morgen im Schlafzimmer. Vielleicht wählte er Jim als Werkzeug gegen Holly. Vielleicht unterwarf er ihn völlig seinem Willen, um ihn in einen erbarmungslosen Killer zu verwandeln. Das hätte den kindlich-verrückten Faktor im Selbst der Wesenheit sicher mit Genugtuung erfüllt.
    Holly schüttelte sich heftig, als wehre sie eine lästige Wespe ab.
    Nein. Unmöglich. In Ordnung, Jim konnte töten, um unschuldige Menschen zu schützen. Aber er war bestimmt nicht imstande, jemanden umzubringen, den er liebte. Kein fremder Geist ganz gleich, wie mächtig - hatte die Möglichkeit, seine wahre Natur zu unterjochen. Der Kern seines Ichs bestand aus Sanftmut, Güte und Herzlichkeit. Er liebt mich, dachte Holly. Und diese Kraft ist stärker als alles andere, stärker auch als der Wahnsinn des fremden Wesens.
    Aber woher wollte sie das wissen? Sie verfiel in Wunschdenken. Sie mußte von einer gewaltigen mentalen Macht der Wesenheit ausgehen. Wenn sie mich jetzt dazu auffordern würde, in den Teich zu springen, um dort zu ertrinken - vermutlich bliebe mir gar nichts anderes übrig, als dem Befehl zu gehorchen.
    Sie erinnerte sich an Norman Rink, an den Lebensmittelladen in Atlanta. Jim hatte mit seiner Schrotflinte achtmal auf den Mörder geschossen, selbst als er bereits tot war.
    Bumm-Bumm-BUMM, Bumm-Bumm-BUMM …
    Nach wie vor weit entfernt.
    Jim stöhnte erneut.
    Holly wandte sich wieder vom Fenster ab, fest entschlossen, ihn zu wecken. Sie wollte gerade seinen Namen rufen, als ihr einfiel, daß der Feind vielleicht schon sein Denken und Fühlen bestimmte. Träume sind Tore. Es gab keinen Hinweis darauf, was der Freund damit meinte oder ob diese Warnung nur Eindruck schinden sollte, so wie das Läuten der Glocken. Aber vielleicht bedeuteten diese drei Worte, daß der Feind in den Traum des Schlafenden und damit auch in sein Bewußtsein eindringen konnte. Vielleicht beabsichtigte der Feind diesmal nicht, aus der Wand zu materialisieren. Vielleicht ging es ihm darum, Jim völlig zu beherrschen, ihn als Mordinstrument zu verwenden.
    Bumm-Bumm-BUMM, Bumm-Bumm-BUMM…
    Etwas lauter. Ein wenig näher?
    Holly befürchtete, allmählich den Verstand zu verlieren. Sie wurde paranoid, schizoid, schnappte über - und dann war sie nicht besser dran als der Freund und seine andere Hälfte. Mit wachsender Verzweiflung versuchte sie, einen völlig fremden Geist zu verstehen, und je mehr sie über die verschiedenen Möglichkeiten nachdachte, desto seltsamer und verwirrender erschienen sie ihr. In einem unendlichen Universum ist alles möglich, kann jeder Alptraum greifbare Substanz

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