Die Kälte Des Feuers
der Mühle oder dem Feind. Er erwies sich als weitaus schlimmer, entsetzte mit erbarmungslosen Details. Während der Visionen empfand Holly ein Grauen, auf das sie nichts vorbereitet hatte, nicht einmal die Schrecken an Bord der auseinandergebrochenen DC-10.
Kühle Fliesen. Sie liegt unter einem Tisch. Auf der Seite. Starrt über den Boden. Direkt vor ihr ein Stuhl aus Metallröhren und orangefarbenem Kunststoff. Unter dem Stuhl eine Mischung aus Pommes frites und einem Cheeseburger. Das Fleisch ist halb zwischen den beiden Hälften des Brötchens hervorgerutscht, liegt auf einem mit Ketchup beschmierten Salatblatt. Dann eine ältere Frau, die ebenfalls auf dem Boden liegt, den Kopf halb zu Holly gedreht. Sie sieht an den Stuhlbeinen vorbei, über die Pommes frites und den Cheeseburger hinweg, Überraschung zeigt sich in ihrem Gesicht, sie starrt und starrt, ohne zu blinzeln, und Holly stellt fest, daß ein Auge der alten Frau gar kein Auge mehr ist, sondern ein leeres Loch, aus dem Blut tropft. Oh, oh, es tut mir leid, so leid. Holly vernimmt ein gräßliches Geräusch, Ra-ta-ta-ta-ta-ta-ta-ta, sie erkennt es nicht, hört Menschen schreien, viele Menschen, Ra-ta-ta-tata-ta-ta-ta, noch immer Schreie, aber nicht mehr so viele wie vorher, Glas zerbricht, Holz splittert, ein Mann, der wie ein Bär brüllt, wütend und zornig brüllt, Ra-ta-ta-ta-ta-ta-ta-ta. Holly weiß nun: Es sind Schüsse, und sie stammen aus einer automatischen Waffe. Sie möchte diesen Ort verlassen, dreht sich um, weil sie nicht an der alten Frau mit dem zerschossenen Auge vorbeikriechen will, doch, o Gott - hinter ihr liegt ein kleines Mädchen auf dem Boden, etwa acht Jahre alt, es trägt ein rosarotes Kleid, Lackschuhe und weiße Socken, ein kleines Mädchen mit weißblondem Haar, ein kleines Mädchen mit, ein kleines Mädchen mit, ein kleines Mädchen mit Lackschuhen, ein kleines Mädchen mit, ein kleines Mädchen mit, ein kleines Mädchen mit weißen Socken, ein kleines Mädchen mit, ein kleines Mädchen mit mit mit mit mit nur einem halben Gesicht. Der Rest ist eine blutige, zerfetzte Masse. Ein rotes Lächeln. Ein schiefes, erstarrtes Lächeln mit weißen Zahnstummeln. Schluchzen, Weinen, Schreie und Ra-ta-ta-ta-ta-ta-ta-ta,es hört nicht auf, es geht immer weiter, was für ein schreckliches Geräusch: Ra-ta-ta-ta-ta-ta-ta-ta. Holly setzt sich wieder in Bewegung, kriecht auf Händen und Knien, fort von der alten Frau und dem kleinen Mädchen mit dem zerschossenen Gesicht. Ihre Finger berühren warme Pommes frites, ein Brötchen mit heißem Fisch, öligem Senf, aber sie rutscht weiter, immer weiter, bleibt unter den Tischen, zwischen den Stühlen, und dann fühlt sie die kalte Feuchtigkeit einer vergossenen Coke, und als sie das Dixie-Duck-Bild auf dem nahen Pappbecher sieht, weiß sie plötzlich, wo sie sich befindet - sie ist in einem Dixie Duck Burger Palace, an einem Ort, den sie sehr gern besucht. Jetzt schreit niemand mehr, vielleicht haben sich die Leute daran erinnert, daß man in einem Dixie Duck nicht schreit, aber jemand schluchzt und stöhnt, und jemand anderes sagt immer wieder Bitte-bitte-bitte-bitte. Holly kriecht unter einem anderen Tisch hervor und sieht einen kostümierten Mann, der zwei oder drei Meter entfernt steht und ihr halb den Rücken zukehrt, und sie glaubt, das alles sei vielleicht nur ein Scherz, eine Art Halloween-Show. Aber bis Halloween dauert es noch eine Weile. Trotzdem trägt der Mann ein Kostüm aus Kampfstiefeln, wie man sie bei einem G.I. erwartet, eine Hose mit Tarnflecken, ein schwarzes Hemd und eine Mütze wie die Green Berets, aber diese ist schwarz, es muß ein Kostüm sein, denn er ist kein richtiger Soldat, kann kein richtiger Soldat sein, denn der dicke Bauch hängt ihm über den Gürtel, und er hat sich seit einer Woche nicht rasiert, Soldaten rasieren sich regelmäßig, er trägt nur die Sachen eines Soldaten. Ein Mädchen kniet vor ihm auf dem Boden, einer der Teenager, die im Dixie Duck arbeiten, das hübsche Mädchen mit dem roten Haar - es zwinkerte Holly zu, als es die Bestellung aufnahm, und jetzt kniet es vor dem Mann in der Soldatenkleidung, mit gesenktem Kopf, wie im Gebet, aber es sagt nur immer Bitte-bitte-bittebitte. Der Mann schreit etwas von der CIA und Bewußtseinskontrolle und geheimen Spionagegruppen, die vom Dixie Duck aus geleitet werden. Dann schreit er plötzlich nicht mehr und starrt eine Zeitlang auf das rothaarige Mädchen hinab, er mustert es stumm, und schließlich
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