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Die Kälte Des Feuers

Die Kälte Des Feuers

Titel: Die Kälte Des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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kehrte nach Henrys Schlaganfall zurück, als er im Krankenhaus mit dem Tod rang. Verdammt, ich erinnere mich daran, daß er starb!«
    »Ganz deutlich?«
    »Ja.«
    »Du erinnerst dich daran, daß er tot im Bett
    lag, daß alle Kontrollmonitore gerade Linien zeigten?« fragte Holly.
    Jim runzelte die Stirn. »Nein.«
    »Erinnerst du dich daran, daß ein Arzt den Tod deines Großvaters feststellte?«
    »Nein.«
    »Erinnerst du dich daran, Vorbereitungen für das Begräbnis getroffen zu haben?«
    »Nein.«
    »Wieso erinnerst du dich dann so deutlich daran, daß Henry starb?«
    Jim grübelte darüber nach, während Holly den Ford durch Kurven lenkte, vorbei an kleinen Hügeln, auf denen vereinzelte Häuser standen, vorbei an Pferdeweiden, von weißen Zäunen umgeben und so grün wie Bilder von Kentucky. In diesem Teil des Tals war die Vegetation üppiger als in der Nähe von New Svenborg. Doch der Himmel gewann ein noch dunkleres Grau, und in den Wolken zeigten sich blauschwarze Tönungen - sie sahen aus wie Blutergüsse.
    »Wenn ich mich jetzt darauf besinne, ist alles verschwommen«, erwiderte Jim schließlich. »Ich sehe nur vage Bilder … keine echten Erinnerungen.«
    »Bezahlst du Henrys Aufenthalt in Fair Haven?«
    »Nein.«
    »Hast du seinen Besitz geerbt?«
    »Wie kann ich ihn geerbt haben, wenn er noch lebt?«
    »Bist du vielleicht eine Art Vermögensverwalter?«
    Jim wollte widersprechen, als er sich plötzlich an eine Anhörung erinnerte, an einen Richter … Die Aussage eines Arztes. Ein Rechtsanwalt, der den alten Mann vertrat und bestätigte, daß Henry zurechnungsfähig war und den Enkel Jim Ironheart beauftragte, sich um sein Eigentum zu kümmern.
    »Um Himmels willen, ja«, sagte Jim. Es schockierte ihn, daß er nicht nur lange zurückliegende Ereignisse vergessen hatte, sondern auch eine erst vier Jahre alte Vergangenheit. Als Holly auf einer geraden Strecke einen langsamen Lastwagen überholte, schilderte er ihr seine allmählich erwachenden Erinnerungen an die realen Geschehnisse. »Wie ist das möglich?
    Wie kann ich auf diese Weise leben? Wieso zeigt mir mein Gedächtnis eine PseudoWirklichkeit, die nie existierte?«
    »Um dich zu schützen«, kommentierte Holly und kehrte auf die rechte Fahrbahn zurück. »Ich wette, du erinnerst dich an alle Einzelheiten deiner Tätigkeit als Lehrer, an die Schüler, die du im Laufe der Jahre kennengelernt hast, an deine Kollegen …«
    Sie hatte recht. Während sie sprach, kehrte Jim ins Klassenzimmer zurück. Es bereitete ihm überhaupt keine Schwierigkeiten, Details in den Archiven seines Gedächtnisses zu finden; nur wenige Tage schienen ihn von seiner Zeit als Lehrer zu trennen.
    »… weil jenes Leben keine Drohung für dich bereithielt. Es war sinnvoll und friedlich. Du verdrängst nur die Dinge in die fernsten Winkel deiner Erinnerung, die mit dem Tod deiner Eltern, Lena Ironhearts und den Jahren in New Svenborg in Zusammenhang stehen. Henry Ironheart gehört dazu, und deshalb verbannst du ihn aus deinem Gedächtnis.«
    Der Himmel wirkte wie ein blau-rot angeschwollener Bluterguß.
    Jim sah Krähen, die unter den Wolken segelten - mehr Vögel, als er vom Friedhof aus gesehen hatte. Vier, sechs, acht. Sie folgten dem Wagen, flogen nach Solvang.
    Sonderbarerweise entsann er sich an den Traum, der ihn nach der Rettung von Billy Jenkins in Portland - nach der ersten Begegnung mit Holly - heimgesucht hatte. In jenem Traum glaubte er sich von einem Schwärm großer schwarzer Vögel über ein Feld gejagt. Sie kreischten um ihn herum, schlugen mit den Flügeln, trafen ihn mit krummen, skalpellscharfen Schnäbeln.
    »Das Schlimmste steht uns noch bevor«, sagte er.
    »Was soll das heißen?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Meinst du das, was wir in Fair Haven erfahren werden?«
    Weit oben glitten die Krähen in hohen, kalten Luftströmungen.
    Jim wußte nicht, welche Bedeutung seine Worte hatten, als er erwiderte: »Etwas Finsteres kommt.«

2
    Das Pflegeheim Fair Haven präsentierte sich als großes, U-förmiges und einstöckiges Gebäude am Rande von Solvang. In der Architektur fehlte jeder dänische Einfluß. Das Haus wirkte wie ein Bauwerk von der Stange, war funktioneil und nicht hübscher, als es sein mußte: cremefarbener Putz, einfache Dachpfannen, kastenförmig, Wände ohne irgendwelche Verzierungen. Aber es schien sich in einem guten Zustand zu befinden, und man hatte die Mauern frisch gestrichen. Die Hecken waren beschnitten, der Rasen gemäht, die Gehsteige

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