Die Kälte in dir (German Edition)
berichtet hatte. Es war allerdings davon auszugehen, dass er die Umstände ihres erneuten Fernbleibens in einer Dienstbesprechung erklären musste. Sollte der SoKo-Leiter bislang nichts von Daniel Wolfs ungewöhnlichem Einsatz für sie gewusst haben, durfte der jüngste Zwischenfall dieses Geheimnis ans Licht gebracht haben. Jetzt konnte Kristina nur erneut auf Retters Beistand hoffen. Oder aber Daniels lebensbedrohlicher Einsatz hatte nachhaltige Informationen zur Folge, sodass Gnade vor Recht erging. Mit dieser Erwartungshaltung betrat sie das Krankenzimmer.
Daniel grinste ihr entgegen, wie nur jemand es tun konnte, der unter Drogeneinfluss stand.
»Was haben sie dir bloß gegeben?«
»Kristina«, nuschelte er.
»Wie geht’s den Beinen?«
In einer ungelenken Bewegung schlug er die Decke zurück. Seine nackten Unterschenkel waren bandagiert. Dort, wo man Haut sehen konnte, wies diese üble Blutergüsse und Quetschungen auf.
»Alles noch da«, verkündete er fröhlich und wackelte mit den Zehen.
Sie stimmte in sein Lachen ein.
Das Pflaster über der rechten Braue war auch wieder da. Er war glimpflich davongekommen.
»Kannst du mir sagen, was passiert ist?«
»Die Mafia betoniert gerne ein«, stammelte er und gluckste schulterzuckend.
Für einen kurzen Moment schlich sich bei ihr der Verdacht ein, dass das, was ihm in der Nacht widerfahren war, gar nichts mit ihrem Serientäter zu tun hatte. Dass es vielmehr mit der Geschichte zusammenhing, die er ihr an ihrem Abend an der Rems erzählt hatte.
Doch dann erinnerte sie sich an die Botschaft, die er ihr über Linnemann hatte ausrichten lassen. Wieso existierte ein Zusammenhang zwischen der Russenmafia und dem Biologen Hannes Achterberg?
»Was ist mit Achterberg?«
»Der hat jede Menge Spielschulden«, brabbelte Daniel.
»Woher hast du das?«
Lallend erzählte er von seiner Unterhaltung mit dem Spatz, ohne darauf einzugehen, wie es dazu gekommen war. Was er sagte, hörte sich konfus und zusammenhanglos an.
»Was, sagtest du, fehlt aus dem Labor?«, hakte sie nach, während ihm die Lider zufielen. »Daniel!«
Bis auf ein sanftes Lächeln auf seinen Lippen erhielt sie keine Reaktion mehr.
Vom Katharinenhospital war es nicht weit zum Labor des Biologen. Kristina schaffte die Strecke zu Fuß in sieben Minuten. Eine Fortbewegungsart, an die sie sich gewöhnen musste, jetzt, da ihr Chauffeur im Krankenhaus lag.
Sie wollte seine wirren Andeutungen umgehend überprüfen.
Auf ihr Klingeln reagierte niemand. Auf dem Schild am Eingang standen keine Öffnungszeiten, aber es war halb elf Uhr vormittags. Man konnte erwarten, dass unter normalen Umständen in einem schwäbischen Betrieb um diese Zeit gearbeitet wurde. Hatte selbst die Laborassistentin das sinkende Schiff verlassen?
Kristina hätte sich die Nummer der Assistentin notieren sollen. Die Fenster waren mit Folie verblendet. Unschlüssig stand sie in der Eingangsnische. Was wollte Daniel damit andeuten, als er behauptet hatte, Achterberg hatte ein Gerät mitgenommen? Er war nicht wirklich zurechnungsfähig, aber es konnte nur etwas mit dem gestohlenen Fett zu tun haben, sonst hätte er nicht seinen verbliebenen Verstand darauf verschwendet, ihr das mitzuteilen.
Sie kam nicht umhin, mit Decher zu reden, wenn sie einen Durchsuchungsbefehl für das Biolabor wollte.
Am Hauptgebäude, in dem Hannes Achterberg wohnte, öffnete sich die Eingangstür. Instinktiv drückte sich Kristina in den Schatten der Nische. Sie hatte nur einen kurzen Blick erhascht. Mit angehaltenem Atem lauschte sie den Schritten, die auf dem Gehsteig erklangen und sich von ihr entfernten. Vorsichtig spähte sie um die Ecke.
Da schau her.
Nicht nur sie und die Mafia suchten nach Achterberg. Doch allem Anschein nach, und vorausgesetzt, der Biologe war nicht zu Hause, besaß die dritte Partei einen Schlüssel für dessen Wohnung.
Mit ausreichend Abstand folgte sie dem Pärchen, das diese Bezeichnung ab dem Moment verdiente, als er seinen Arm um ihre Schulter legte.
Vielleicht trafen sich die beiden in Achterbergs Wohnung, um ungestört Zeit miteinander zu verbringen. Das würde die Nervosität erklären, die beide beim letzten Aufeinandertreffen mit Kristina an den Tag gelegt hatten. Selbst jetzt fehlte ihnen die Leichtigkeit, die man bei dieser intimen Begegnung hätte erwarten können. Die Körperhaltung der beiden war trotz der augenscheinlichen Verliebtheit von einer unübersehbaren Steifheit geprägt. Sie waren zusammen, aber
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