Die Kälte in dir (German Edition)
nicht wirklich glücklich darüber.
Kristina rätselte über die Bedeutung dieser Beobachtung.
Nach einer Weile wurde klar, wohin die beiden wollten.
Kristina hatte den Vorteil, dort auftauchen zu können, ohne aufzufallen, auch wenn sie nicht genau wusste, welches Resultat dabei herauskäme. Ein weiteres, blindes Stochern im Wespennest, dessen Folgen nicht vorhersehbar waren.
Ihr Handy vibrierte.
Sie blieb vor einem Schaufenster für Inneneinrichtungen stehen und holte das Mobiltelefon aus der Tasche. Nach einem flüchtigen Blick zu dem Paar, das unbedarft seinen Weg fortsetzte, betrachtete sie das Display.
Diesmal war es nicht der Hauptkommissar, sondern Sonja. Kristina nahm das Gespräch an.
»Bist du noch im Krankenhaus?«, fragte Sonja.
»Hat Decher dich vorgeschickt?«
»Wir haben einen Zeugen für den Vorfall auf dem Wertstoffhof. Ich dachte, du möchtest dabei sein«, erklärte Sonja.
Endlich jemand, der etwas beobachtet hat,
ging es Kristina durch den Kopf. Sie hatte schon nicht mehr daran geglaubt.
»Ich komme!«, kündigte sie an und trennte die Verbindung.
Sie spähte die Straße hoch zu dem Gebäude, in dem die Turteltäubchen gerade verschwanden. Die zwei würden vorerst nicht weglaufen. Die Aussage des Zeugen ging vor.
Der Mann saß in einem der Verhörzimmer. Vor ihm auf dem Tisch dampfte ein Kaffeebecher. Die Jalousien waren unten, trotzdem war es heiß in dem Raum. Unverkennbar fühlte der Zeuge sich nicht wohl in seiner Haut. Sein grauer Haarschopf war ungekämmt, die dicken Wangen mit Bartstoppeln überzogen. Das ausgewaschene Hemd spannte um seine Schultern, vorn quoll dichtes Brusthaar aus dem Ausschnitt.
Ohne das Vorgehen mit Kristina abgesprochen zu haben, rief Decher sie dazu, stellte aber sogleich klar, dass er die Zeugenbefragung übernehmen würde. Sie durfte zuhören und wunderte sich gleichzeitig, wieso er ihr dieses Privileg gewährte. Nur kurz hatten sie sich auf dem Flur getroffen. Sein skeptischer Blick reichte aus, um zu wissen, wie er über ihre morgendliche Aktion dachte. Wahrscheinlich hatte Retter ihn aufgeklärt, was es mit Daniel Wolf auf sich hatte.
Der SoKo-Leiter setzte sich dem Zeugen gegenüber und stellte sich vor, während Kristina auf einem Stuhl an der Wand seitlich von dem Mann Platz nahm.
»Danke, dass Sie sich bei uns gemeldet haben. Wir werden Ihre Aussage aufzeichnen. Ist das für Sie in Ordnung?«
Der Mann nickte.
»Nennen Sie bitte zuerst Ihren Namen, Ihre Adresse und das Geburtsdatum«, verlangte Decher und drückte die Aufnahmetaste.
Misstrauisch betrachtete der Mann das schwarze Mikrofon, das aus einem Loch im Tisch wuchs.
»Lutz Nachtmann, ähm, ich wohne in Fellbach, Olgaweg 4.«
»Geboren?«, half Decher aus.
»17. Mai 1957«, sagte der Mann.
Er sah wesentlich älter aus. Offensichtlich bereute er mittlerweile, sich bei der Polizei gemeldet zu haben. Seine Finger klammerten sich um die Tischkante.
»Sie arbeiten als Lagerist bei Bosch, hier in Waiblingen?«
Der Mann nickte.
»Das ist eine Tonaufzeichnung, Sie müssen sprechen«, ermahnte Decher und deutete auf das Mikro.
»Ja«, bestätigte Nachtmann.
»Sie kennen Jakub Piecek?«, fragte der Hauptkommissar.
Dass der Mann den Tatverdächtigen kannte, war neu für Kristina. Elektrisiert drückte sie ihren Rücken durch. War Nachtmann mehr als ein Zeuge?
»Wir spielen manchmal Karten«, erklärte der Lagerist.
Decher lächelte. Er rückte ein paar Zentimeter näher an den Tisch heran und stützte die Ellbogen auf. »Nicht nur Karten?«
»Hören Sie, ich möchte da in nichts hineingeraten. Ich kenne Jakub, und ab und an helfe ich ihm. Nichts Illegales. Nur Kisten von A nach B fahren oder einen Lastwagen beladen.« Das klang so, als glaubte er, dass dabei alles mit rechten Dingen zuging.
»Wann haben Sie ihn zuletzt gesehen?«, fragte Decher.
Nachtmann nippte an seinem Kaffee. Sein nervöser Blick wanderte dabei über den Rand des Bechers hinweg zu Kristina. Sie bereute unverzüglich, am Morgen wieder nur ein Oberteil mit Spaghettiträgern übergestreift zu haben.
»Freitagnacht«, antwortete er, nachdem er den Kaffee vor sich abgesetzt hatte.
»Auf dem Wertstoffhof?«, entfuhr es Kristina, und sie erntete einen vernichtenden Blick des SoKo-Leiters.
Lutz Nachtmann wich zurück, soweit es die Stuhllehne zuließ.
Decher verkniff sich, sie vor dem Zeugen zu ermahnen. »Erzählen Sie, wie es dazu kam«, verlangte er stattdessen.
»Jakub rief mich an. Donnerstag auf der
Weitere Kostenlose Bücher