Die Kälte in dir (German Edition)
aufmunterndes Lächeln. »Oberkommissarin Reitmeier, nehme ich an?«
»Woher …?«
»Daniel hat nach Ihnen gefragt, bevor der Arzt ihn ruhigstellen konnte.« Er streckte ihr die Hand hin. »Thomas Linnemann! Ich bin Daniels Vorgesetzter. Die ersten Kollegen vor Ort haben seinen Dienstausweis gefunden und mich umgehend verständigt. Wie haben Sie so schnell davon erfahren?«
»Handyortung. Er versuchte, mich zu erreichen, doch bevor ich reagieren konnte, gab es keine Verbindung mehr. Es war nicht leicht, das Signal war sehr schwach, wir hatten Glück.«
Der Hauptkommissar blinzelte gegen das Sonnenlicht an, das nun ungehindert in die Baugrube stach. Linnemann hatte eine sonore, weiche Stimme, die nicht zu dem gedrungenen Äußeren passte. Er war unrasiert, und Kristina konnte sich nicht vorstellen, dass er je einen Anzug trug wie Thorwald Decher. Jeans und ein kariertes Hemd reichten Daniels Chef völlig aus. Sein dünnes, aschbraunes Haar hatte er zu einem Mittelscheitel gekämmt. Er sah hoch in den Himmel über dem Baustellenareal, als könne er dort das Funkloch ausmachen, das Daniel daran gehindert hatte, Hilfe zu rufen.
Mechanisch folgte sie seinem Blick. Es gab nichts zu sehen, wo nichts war.
»Ich glaube nicht, dass sie vorhatten, ihn umzubringen. Ich meine, sie haben ihn auf einer der größten Baustellen Europas einbetoniert. Okay, in einer abgelegenen Ecke von Stuttgart 21, versteckt hinter der Stadtbibliothek und der Grabung für den neuen Stadtbahntunnel, aber dennoch ein Ort, an dem beinahe rund um die Uhr gearbeitet wird. Es war absehbar, dass dort früher oder später jemand vorbeikommt und ihn findet. Die Frage ist, wer ihm das angetan hat und wie es so weit kommen konnte?« Linnemann wartete auf eine Erklärung.
Kristina zuckte mit den Schultern. »War er nicht in die Ermittlungen gegen die Russenmafia involviert? Meiner Ansicht nach deren Handschrift«, schlug sie vor und deutete zu dem Betonfundament.
»Ich soll Ihnen ausrichten, dass Achterberg abgetaucht ist«, sagte er und betrachtete sie kritisch.
Sie schaffte es nicht, die Teilnahmslose zu geben.
»Das klingt nicht nach unserem Fall«, sagte er, »und wenn ich Ihre Reaktion richtig deute, können Sie mit diesem Namen etwas anfangen. Daniel war dieser Hinweis an Sie sehr wichtig. Alles andere, was er sonst noch hervorbrachte, bis die Wirkung des Beruhigungsmittels einsetzte, hörte sich für mich nach zusammenhanglosem Gelaber im Delirium an.« Der Hauptkommissar verschränkte die Arme vor der Brust. »Sie sind mir eine Erklärung schuldig. Er sollte Sie nur fahren, nicht für Sie ermitteln.«
Kristina schwieg. Das konnte ihr Linnemann auch als Schuldeingeständnis auslegen. Anscheinend hatte sich Daniel nach wie vor dafür verantwortlich gefühlt herauszufinden, was es mit diesem Achterberg auf sich hatte. Das hätte sie unterbinden müssen.
»Mir bleibt keine Wahl, ich muss Kurt Retter informieren«, erklärte Linnemann und wirkte dabei betroffener, als er hätte sein müssen.
So wie sie den Hauptkommissar einschätzte, war er ein milde gestimmter Vorgesetzter. Bevor sie etwas dazu erwidern konnte, verstummte das Hämmern. Einer der Feuerwehrleute schaute zu ihnen herüber und hob den Daumen. Daniel war befreit. Zwei Sanitäter, die mit ihrer Trage bereitstanden, eilten über das Fundament.
Kristina sah ihnen nach und dann über sie hinweg. Oben, an der Umzäunung der Baugrube, fand sie Ralf Winkler inmitten der Gaffer. Er nickte zu ihr herunter.
Hannes Achterberg war abgetaucht. Selbst in der kritischen Lage, in der Daniel sich befunden hatte, maß er dem eine große Bedeutung bei. Sie musste mit ihm reden. Unverzüglich.
»Ich werde im Krankenwagen mitfahren«, schlug sie Linnemann vor.
Der sah sie einen Moment lang missmutig an, dann runzelte er die Stirn. »Ihre Begleitung ist ihm wohl lieber.«
»Wir behalten ihn auf jeden Fall bis morgen hier, um die Gefahr einer Thrombose auszuschließen«, erklärte ihr zwei Stunden später der behandelnde Arzt im Katharinenhospital.
»Kann ich wenigstens zu ihm?«
Der glatzköpfige Mediziner wollte sich bitten lassen, also tat sie ihm den Gefallen.
»Fünf Minuten! Er steht unter dem Einfluss des Beruhigungsmittels, erwarten Sie also nicht zu viel.«
Während sie gewartet hatte, waren zwei Anrufe von Decher eingegangen, die sie nicht beantwortet hatte. Ralf hatte sie nach der erfolgreichen Bergung zurück nach Waiblingen geschickt. Sie wusste nicht, was er im Präsidium
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