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Die Kälte in dir (German Edition)

Die Kälte in dir (German Edition)

Titel: Die Kälte in dir (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Kern
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Leben genommen wurde.
    Deshalb musste sie jetzt aufstehen und den Gesang der Vögel vergessen; genau wie die Waldspaziergänge mit ihrer Großmutter, die zu einer unbeschwerteren Zeit stattgefunden hatten, die dreißig Jahre und länger zurücklag.
    Das Aufrichten tat weh, als hätte sie gestern nach dem Büro noch schnell einen zweistündigen Waldlauf absolviert. Sie streckte sich, bis die Sehnen knackten, und schlappte ins Bad. Auch an diesem Morgen verhalf ihr das Spiegelbild nicht dazu, sich besser zu fühlen. Die Ringe unter den Augen erschreckten sie. Zwar konnte sie sich seit Kais Auszug wieder mehr leiden, doch im Moment war davon nichts zu spüren.
    Kristina stieg unter die Dusche. Der heiße Wasserstrahl linderte die Muskelschmerzen. Was hatte sie bloß angestellt? Hoffentlich wurde sie nicht krank. Mit dem Shampoo spülte sie die Befürchtungen über eine im Anflug befindliche Erkältung fort. Bei den vorherrschenden Temperaturen war das schlichtweg unmöglich. Sie stellte das Wasser ab und hörte augenblicklich das Klingeln ihres Handys. Bis sie das Badetuch erhaschte, um mit trockenen Händen danach zu greifen, war das Gerät jedoch wieder still.
    Auf dem Display erkannte sie Daniels Nummer. Sie versuchte sich zu erinnern, ob er sich jemals von sich aus bei ihr gemeldet hatte.
    Ungeachtet ihrer triefend nassen Haare drückte sie auf Rückruf. Eine digitale Stimme verkündete, dass der Teilnehmer zurzeit nicht erreichbar war. Sie verzichtete darauf, auf die Mailbox zu sprechen. Wenn es wichtig war, würde er einen zweiten Versuch starten.
    Sie legte das Handy auf die Ablage unter dem Spiegel, konnte aber den Blick selbst beim Abtrocknen nicht davon nehmen. Nachdem ihre Haare in ein Handtuch gehüllt waren, versuchte sie es erneut. Wieder keine Verbindung. Das Ziehen in ihrem Magen kam jetzt nicht mehr vom gestrigen Rotwein.
    Ungeachtet der Schmerzen streckte Daniel den Arm so weit von sich, wie es ihm seine Lage ermöglichte. Wegen der Eisenstange, die wie ein Sicherheitsbügel über seiner Brust lag und an der seine Rippen scheuerten, konnte er sich nicht aufrichten. Weitaus schlimmer war der Druck um seine Beine, der kaum auszuhalten war. Dabei lag er im Schatten. Noch stand die Sonne tief. Gnade ihm Gott, wenn sie über den Rand der Grube kroch und die Hitze das Material ausdehnte, das ihn einschloss.
    Besser nicht darüber nachdenken!
    Stattdessen kehrte die Erinnerung an seinen erzwungenen Ausflug mit den Russen zurück. Nachdem der Spatz genug von ihm gehört hatte, hatten sie ihm etwas in die Armbeuge gespritzt. Danach hatte er das Bewusstsein verloren.
    Der Russe hatte sein Versprechen gehalten und Daniel am Leben gelassen. Aber er wollte ihn auch nicht einfach so gehen lassen. Diese Feststellung überrollte Daniel wie ein Güterzug, nachdem er im Morgengrauen die Augen aufgeschlagen hatte.
    Links oben im Display leuchtete weiterhin
suchen
.
    Sinnlos! So hoch oder weit von sich konnte er das Handy nicht recken, um ins Netz zu gelangen. Er mühte sich trotzdem weiter ab; wie schon den ganzen verfluchten Morgen, seit er entdeckt hatte, dass sie ihm das Mobiltelefon nicht weggenommen hatten.
    Einmal war ein einsamer Strich auf dem Display erschienen, der eine fragile Verbindung versprochen hatte. Ein lebensnotwendiger Anschluss ins Mobilfunknetz, der für exakt einen Anruf gereicht hatte. Einen Anruf, der ins Leere gegangen war.
    Warum hatte er es ausgerechnet bei Kristina versucht? Warum nicht den Notruf? Das hätte doch die logischste Reaktion sein müssen. Aber nein, idiotisch wie er war, wählte er die Nummer der Roten Zora. Wie lange würde sie brauchen, bis sie auf die Idee kam, sein Handy zu orten? Der Zustand seines Akkus war auch nicht mehr der beste.
    Er musste durchhalten.
    Nachdem Daniel erwacht und ihm seine missliche Lage in vollem Umfang bewusst geworden war, hatte er eine Weile um Hilfe geschrien. Anfangs mit Bedacht, dann immer hysterischer, bis seine Stimme nicht mehr mitmachte und er das Gefühl bekommen hatte, jede Sekunde einen Herzstillstand zu erleiden. Es folgte ein emotionales Tief, das der Aussichtslosigkeit seiner Lage geschuldet war. Danach konnte er sich so weit beruhigen, dass sein Denkapparat wieder zu gebrauchen war.
    Jetzt war es kurz vor sechs.
    Fingen da nicht üblicherweise die Leute mit ihrer Arbeit an? Vor allem auf Baustellen. Was, wenn nicht?
    Bleib ruhig, verdammt noch mal!
    Der Boden war hart und unter seinem Rücken noch feucht, aber an ein Aufrichten war

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