Die Kälte in dir (German Edition)
Schwarz. Der klang sehr sympathisch und war recht redselig. Er behauptet, Schwarz schon seit Jahren nicht mehr gesehen zu haben.«
»Glaubhaft?«
»Hey, ich bin kein Ermittler, ich bin Spurensucher. Wenn du es genau wissen willst, er freut sich gewiss über deinen Besuch.«
Kristina musste die Fülle an Informationen erst verdauen, bevor sie dazu eine Entscheidung traf. Genau wie Louise, seine ehemalige Verlobte, hatte auch der Architekt Deutschland für lange Zeit den Rücken gekehrt. Ferienanlagen am Mittelmeer. Das klang reizvoll. Doch Schwarz war in seine Heimat zurückgekehrt, und kaum war er angekommen, begegnete er seinem Mörder.
»Wie weit ist die Wuppermann mit dem Autopsiebericht? Hast du was gehört?«
»Frau Doktor arbeitet sonntags nicht, und heute Morgen zum Frühstück behandelten wir andere Themen, sorry!«
Wieder klang er, als wüsste er, was sie vergangene Nacht getrieben hatte. Kristina fühlte sich ertappt und bekam heiße Wangen, nicht allein der Verärgerung wegen. Sie war froh, dass ihr im Abteil niemand direkt gegenübersaß.
»Gedulden wir uns also bis morgen«, antwortete sie und versuchte, dabei möglichst normal zu klingen, ohne auf Sampos Anspielung einzugehen.
Mit einem Mal überkam sie die Befürchtung, er könnte registrieren, dass sie im Zug und nicht bei Daniel im Auto saß. Sie wollte das Gespräch zu Ende bringen, bevor die nächste Haltestellendurchsage kam.
»Ist alles in Ordnung mit dir?«, fragte er in ihr Schweigen hinein.
»Ja, klar, alles gut! Hast du dir Gedanken wegen des Fetts gemacht?«, lenkte sie das Gespräch rasch auf die Ermittlungen zurück. »Was steckt dahinter? Irgendein perverser Ritus oder Kannibalismus?«
»Vielleicht ist es viel trivialer. Verpfeif mich nicht bei den Kollegen, wenn ich dir jetzt verrate, dass ich ein Fan von Ärzteserien im Fernsehen bin. Das mag jetzt für dich verwerflich klingen, aber bevor du lachst: Immerhin hat es mich auf eine Idee gebracht. Schon mal was von Eigenfettinjektionen gehört?«
»Schönheitschirurgie? Ich bitte dich, es heißt Eigenfett! Ich würde nicht das Bauchfett eines alten Mannes in meine Lippen gespritzt bekommen wollen.«
»Darüber weiß ich zu wenig, und ich finde es ebenfalls eklig, aber du hast mich nach meinen Überlegungen gefragt, die ich selbstverständlich gerne mit dir teile.«
»Bis morgen, Sampo«, sagte sie und trennte die Verbindung, eine Sekunde bevor es über ihr aus dem Lautsprecher knackte.
Schönheitsoperationen?
Die S-Bahn hielt mit kreischenden Bremsen, und Kristina musste sich beeilen, um nicht den Ausstieg zu verpassen.
Der Sonntag war irgendwie dahin, selbst wenn noch nicht einmal die Hälfte vorbei war. Daniel hatte keine Lust, sich in sein 25-qm-Appartement zu hocken. Kristinas Verhalten hatte ihn ebenso wütend gemacht wie verwirrt. Anstatt mit seiner Ehrlichkeit ein besseres Verhältnis zwischen ihnen zu schaffen, hatte er es mit seiner Dummheit noch schwieriger gemacht.
Je kürzer die Zusammenarbeit war, umso besser. Vielleicht konnte er etwas dazu beitragen, dass die Ermittlungen schneller vorangingen.
Von Bad Cannstatt brauchte er zehn Minuten bis in die Fellbacher Bahnhofsstraße.
Er wusste, dass er sich mit seinem Verhalten einer klaren Dienstanweisung widersetzte. Und das, obwohl er ohnehin schon auf der Abschussliste stand. Aber mit jedem Tag, der verging, glaubte er weniger daran, dass sich alles zum Guten wenden würde. Warum sollte er sich also noch diszipliniert verhalten? Möglicherweise war es der letzte Fall, den er je bearbeiten würde.
Als er sich vor vier Jahren für eine Ausbildung bei der Polizei entschieden hatte, waren seine einzigen Bedenken gewesen, dass er Probleme haben könnte, sich in einer Befehlskette unterzuordnen. Das mochte an der antiautoritären Erziehung liegen, die seine Eltern bei ihm bisweilen zur Anwendung gebracht hatten. Oder an den Genen, die ihm die zwei alternativen 68er-Studentenprotestler mit in die Wiege gelegt hatten. Vielleicht war es auch schlichtweg nur seine Art. Der Drang zu tun, was er für richtig hielt, war ab und an übermächtig.
Noch war nicht viel Betrieb in der italienischen Eisdiele. Er ergatterte einen Tisch an der Straße mit freiem Blick auf das Haus des Verdächtigen. Der Dienstwagen parkte keine zehn Meter von Daniel entfernt, optimal, um schnell reagieren zu können. Eine Observation von einem Eiscafé aus war nicht das Unangenehmste. Im Schatten der Markise konnte man das eine Weile durchhalten.
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