Die Kälte in dir (German Edition)
Vielleicht tauchte sogar Jakub selbst auf. Daniel hatte ihn auf dem Foto gesehen, das sich Kristina von Ilona Piecek bei ihrem letzten Besuch hatte aushändigen lassen.
Er versteckte sich hinter seiner Sonnenbrille und bestellte Espresso und Wasser. Der Kellner fühlte sich genötigt, ein bisschen Smalltalk zu machen, und lamentierte über die Hitze. Daniel reduzierte seine Antworten auf das Nötigste, und als zwei luftig bekleidete junge Damen den Nebentisch besetzten, war er den Kellner los.
Trotz des vielen Koffeins fühlte er sich bald schläfrig. Die Zeit wurde ihm lang.
Ilona Piecek verließ ihre Wohnung um halb zwei. Allein.
Sie trug eine dunkle Sonnenbrille, ein gemustertes Sommerkleid und hatte ihr Haar hochgesteckt. Er erkannte sie an ihrer dürren Gestalt, diesen leicht hängenden Schultern und der Zigarettenkippe im Mundwinkel. Sie sah nicht zu ihm herüber und verhielt sich unbedarft.
Daniel hatte mittlerweile einen Sonnenbrand auf den Unterarmen, weil der Schatten der Stoffbedachung immer weiter zur Hauswand hin gewandert war. Seine Freibadbräune, die er in letzter Zeit bekommen hatte, erwies sich als unzureichender Schutz vor der intensiven UV -Strahlung.
Er klemmte einen Zehner unter das halb leere Wasserglas und folgte Ilona Piecek zum Bahnhof. Im Abstand von dreißig Metern und zu Fuß, denn es wäre zu auffällig gewesen, den Wagen zu benutzen.
Sie betrat den Bahnhof und stellte sich auf das Gleis Richtung Waiblingen. War sie unterwegs zu ihrem Mann?
Um unauffällig zu bleiben, verbarg sich Daniel hinter der Ecke des Zeitungskiosks. Die S-Bahn kam nach drei Minuten. Als er sicher war, dass die Frau einstieg, sprintete er los und schaffte es knapp durch die sich schließende Tür. Eine Gruppe Radfahrer hatte das Abteil mit ihren Drahteseln in Beschlag genommen und bot ihm eine gewisse Deckung. Beruhigt stellte er fest, dass sein überhastetes Zusteigen unbemerkt geblieben war. Ilona Piecek saß ein paar Reihen voraus mit dem Rücken zu ihm. Sie fuhr zwei Stationen, dann verließ sie den Zug in Neustadt, einem der Waiblinger Ortsteile. Daniel wartete auf das Signal, das vor den sich schließenden Türen warnte, bevor er ausstieg.
Er folgte ihr hoch ins Industriegebiet. Die Straßen waren breit und schnurgerade, ohne Chance auf Schatten. Die Sonne stach erbarmungslos vom Himmel. Keine Menschenseele war unterwegs, und er musste den Abstand zu Piecek auf fünfzig Meter vergrößern, um kein Risiko einzugehen, sollte sie sich doch einmal umdrehen.
Ihr Ziel war eine Autowerkstatt.
Alfreds Autostopp
stand auf dem Schild über den beiden Hallen,
Inhaber Alfred Hilger
klein darunter. Konnte das der Alfred sein, den Ilona Piecek erwähnt hatte, Jakubs Kumpel auf der Rumänien-Tour?
Ilona klopfte am Tor, aber er konnte nicht sehen, wer ihr öffnete und sie einließ.
Eigentlich war es nun an der Zeit, Kristina anzurufen, doch er verwarf den Gedanken. Sie würde erwarten, dass er sie abholte, und dadurch konnte er die Show hier verpassen. Zum ersten Mal bedauerte er, dass er wegen der Beurlaubung seine Dienstwaffe hatte abgeben müssen.
Leise schlich er an die Hallen heran. Der Asphalt unter seinen Sohlen fühlte sich weich an, als würde der Belag demnächst unter seinem Gewicht nachgeben. Es roch nach Getriebeöl und Autoreifen. Durch die Milchglasscheiben in den Rolltoren war nichts zu erkennen.
Daniel drückte sich zwischen Gebrauchtwagen hindurch, um an die Längsseite des Gebäudes zu kommen. Vertrocknete, hüfthohe Brennnesselstauden unter den verstaubten Fenstern machten es nicht einfacher. Er schob die Sonnenbrille ins Haar und schirmte seine Augen gegen die Helligkeit ab. Das Glas war so dreckig, dass nur Schemen zu erkennen waren. Heißer Wind strich um die Ecke und trug das Zirpen von Grillen heran, die in den Feldern jenseits des Industriegebiets mit ihren vielstimmigen Gesängen die Sonne priesen. Die Szenerie kam ihm plötzlich unwirklich vor. Er im Außeneinsatz. Ohne Waffe und Schutzweste. Kein SEK im Rücken.
Was mache ich hier?
Durch die gekippten Oberfenster vernahm er Stimmen. Mit angehaltenem Atem drückte er sich gegen die grob verputzten Betonziegel. Die hohe Tonlage gehörte eindeutig zu einer Frau. Die andere Stimme war die eines Mannes. Zu Daniels Ärger verstand er nur Wortfetzen. Er lauschte weiter, schnappte bisweilen den Namen Jakub auf. Die Diskussion wurde hitziger.
Daniel sah die Bewegung zu spät. Seine Reflexe reichten nicht aus, um noch ausweichen. Die
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