Die Kälte in dir (German Edition)
kopflos.«
Das wusste er selbst, doch er empfand es trotzdem als äußerst ungerecht, wie sie ihn zurechtwies. Er hatte gute Lust, den Rest seiner nächtlichen Beschattung für sich zu behalten. Für Sekunden schwiegen sie.
»War noch was?«, fragte sie schließlich. Augenscheinlich siegte die Neugierde.
»Nachdem ich vermuten durfte, dass Lorenz nach der etwa halbstündigen Diskussion zurück in seine Wohnung fuhr, bin ich einfach dem anderen Kerl gefolgt«, verkündete Daniel.
Er war froh gewesen, dass Lorenz’ Kneipenbekanntschaft zu Fuß unterwegs war. Nach dem einen Drink, den Daniel durch den unerwartet raschen Aufbruch der beiden in einem Reflex hinuntergestürzt hatte, hatte er sich nicht mehr sonderlich fahrtüchtig gefühlt.
»Der Mann heißt Achterberg. Das stand zumindest auf dem Klingelschild an der Tür, durch die er verschwand.«
»Wird’s noch interessanter?«
»Das zu beurteilen, überlasse ich dir, wenn du mich zum Ende kommen lässt«, gab er zurück. »Das Haus hat einen Anbau, der allerdings im Dunkeln lag, weshalb ich nicht lesen konnte, was auf dem Schild beim Eingang stand. Ich war fast schon dran vorbei, doch dann kam ein Wagen die Straße hoch und brachte gewissermaßen die Erleuchtung.«
»Bitte verschone mich vor dem Frühstück mit ausschmückender Theatralik«, fiel sie ihm ins Wort. »Was stand auf dem Schild?«
Ihr Drängen veranlasste ihn dazu, sich erst gemächlich und mit aller Vorsicht und Rücksicht gegenüber seiner körperlichen Unzulänglichkeit aufzusetzen, bevor er antwortete. »Hannes Achterberg, Labor für medizinische und biochemische Verfahrenstechniken.«
Daniel strich über seine drei Tage alten Bartstoppeln. Es wäre Zeit für eine Rasur, aber er konnte sich nicht dazu durchringen. Wie er sich seit seiner Beurlaubung unter die Leute wagte, passte gar nicht zu ihm. Ein Haarschnitt wäre angebracht, auch wenn das längst nicht alles war, was er anpacken sollte. Seine Eitelkeit war unbemerkt auf der Strecke geblieben.
Er betastete die Verfärbung unter dem Auge, die bereits gelblichgrün schimmerte. Besser, er behielt die Sonnenbrille noch einen Tag länger auf. Die Schramme auf dem Jochbein verheilte gut. Wenn er nicht daran kratzte, würde er ohne Narbe davonkommen, doch das stimmte ihn nicht optimistischer. Die Kopfwunde schmerzte noch.
Vorsichtig löste er das Pflaster. Da die Wundauflage mit der Kruste verklebt war, brach alles wieder auf. Bluttropfen bildeten sich in dem Riss, und Daniel presste ein Papiertaschentuch dagegen. Lorenz’ Praxishilfe hatte ihr Bestes versucht, aber die Wunde war einfach zu tief. Es wäre besser, noch mal zum Arzt zu gehen. Kristina hatte keine konkrete Uhrzeit genannt, wann sie ihn in Waiblingen erwartete. Wahrscheinlich musste er sich ohnehin reinschleichen, so wie sich die Dinge entwickelten. Er war gespannt, wie lange der neue SoKo-Leiter ihr Spielchen mitmachte.
Die Blutung hörte auf, und er stieg unter die Dusche. Er hatte Kristina nicht alles gesagt, was er gestern beobachtet hatte. Während er Duschgel auf seinem Körper verteilte, fragte er sich, warum? Warum schaffte er es nicht, ihr sein volles Vertrauen entgegenzubringen? Immerhin hatten sie miteinander geschlafen. Womöglich lag es schlichtweg daran, dass auch sie ihm nicht traute. Aber was konnte man schon verlangen, wenn man sich erst seit fünf Tagen kannte? Unfreiwillig zusammengewürfelt. Nein, diesmal lag es einfach daran, dass er seine Entdeckung selbst nicht interpretieren konnte. Auf der Polizeischule lernte man, nicht an Zufälle zu glauben. Doch es musste Ausnahmen gegen diese Regel geben.
Hannes Achterberg hatte einen Schatten. Genauso unerwartet, wie Daniel über das Firmenschild des Labors gestolpert war, hatte er den Mann entdeckt, der den Chemiker beobachtete. Jemand, der es verstand, unbemerkt zu bleiben, solange er es für nötig hielt. Deshalb war Daniel nicht sicher, ob der Mann beabsichtigt hatte, diesen halben Schritt zu weit in den Lichtkreis der Straßenlaterne zu treten. Nur um zu signalisieren, dass Daniel nicht der Einzige war, der Achterberg hinterherschnüffelte?
Daniels Anwesenheit dürfte dem Schattenmann ein Rätsel aufgegeben haben. Dafür wusste er, wer den Schnüffler geschickt hatte. Daniel kannte den Mann. Doch das war keineswegs beruhigend, sondern bewirkte vielmehr das Gegenteil.
Hatte der Observationsbericht einen Wert für die Ermittlung? Was verband Dr. Lorenz mit diesem Achterberg und dessen Profession? Daniels
Weitere Kostenlose Bücher