Die Kälte in dir (German Edition)
von der Ermittlung abziehen. Abgesehen von dem Misstrauen, das ihnen vom Rest des Präsidiums entgegenschlagen würde, kannte sie die beiden als ehrgeizige Fahnder, die das nicht ohne Weiteres hinnehmen würden. Egal wie sie es drehte und wandte, sie war unten durch.
Das Schrillen der Telefone unterband jeden weiteren Versuch einer Rechtfertigung oder motivierenden Ansprache. Sonja und Ralf griffen mit finsteren Mienen synchron zu den Hörern. Kristina trat betroffen den Rückzug an.
Die Anweisung war klar. Bescheid geben, sobald er in der Tiefgarage stand. Keinesfalls ins Büro kommen. Es klang alles danach, als wäre ihr Arrangement von oberster Stelle aufgehoben worden. Daniel hatte erwartet, dass Linnemann ihn zurückpfiff, wenn es so weit war. Doch letztlich spielte es keine Rolle, wer den Riegel vorschob.
Anfangs hatte er es herbeigesehnt, und nun verspürte er Bedauern. Nicht deswegen, weil er den Posten als Chauffeur verlor. Sondern deshalb, weil das irgendwie auch sein Fall geworden war. Er fühlte sich in der Pflicht, diesen Wahnsinnigen zu stoppen, um Leben zu retten. Dazu war er schließlich angetreten. Hatte sich für diesen Beruf entschieden, auch wenn seine Eltern dagegen gewesen waren.
Ein Polizist.
Weder sein Vater noch seine Mutter hatten es offen ausgesprochen, doch in ihren Gesichtern war zu lesen gewesen, dass sie ihren Sprössling lieber als Pädagogen gesehen hätten. Um die Tradition fortzuführen. Wenigstens Sportlehrer. Das wäre doch eine gute Alternative gewesen, bei den athletischen Attributen, die er mitbrachte. Stattdessen ein Staatsdienst in Uniform. Bewaffnet. Er wechselte die Fronten, gehörte plötzlich zu denen, die seine Eltern früher von den Schienen getragen hatten, wenn sie einen Castorzug blockierten oder einen Baum besetzten, der einer neuen Landebahn weichen musste. Das wollten sie nicht akzeptieren, weder sein Vater und erst recht nicht seine Mutter, die noch radikaler veranlagt war. Sie hatten keine Ahnung davon, dass es mit seiner Polizeikarriere bald vorbei sein könnte. Wahrscheinlich würden sie einen ökologisch angebauten Sekt aufmachen, um darauf anzustoßen, wenn er rausgeworfen wurde.
Selbst das mit dem Psychologiestudium an der Polizeiakademie hatte er für sich behalten. Sie hatten nie verstanden, dass er weder auf Biogemüse, kulturlastige Campingurlaube noch auf Nachhaltigkeit versessen war und schon überhaupt keine Motivation fühlte, an Protestumzügen teilzunehmen. Auflehnung, ja, das war wohl das Einzige, das er sich zu eigen gemacht hatte, doch er brauchte dafür kein Pappschild oder Megafon.
Kristina riss die Beifahrertür auf. Er zuckte zusammen. Sie knallte ihm eine Zeitung auf den Schoß. Irritiert las er die fetten schwarzen Buchstaben.
»Kannst du mir dazu was sagen?«, fragte sie, und ihr Ton war alles andere als nachsichtig.
Er zwang sich trotzdem dazu, den Artikel zu lesen, bevor er antwortete. »Was wirfst du mir vor?«
»Du hast dich mit diesem Theiss unterhalten. Gestern beim Rauchen, vor dem Präsidium.«
»Und da bleibt der Frau Kommissarin kein anderer Schluss, als dass ich dem Reporter diese Details gesteckt haben könnte, während wir uns eine Zigarette teilten?« Er zerknüllte die Zeitung und schleuderte sie in ihren Fußraum.
»War es nicht so?«
Daniel sagte nichts. Legte seine Hände ums Lenkrad und drückte zu, bis seine Knöchel weiß hervortraten. Die Wunde über dem Auge pochte im Rhythmus seines aufgeregten Herzschlags. Er schwieg, bis er sicher war, seinen Tonfall unter Kontrolle zu haben.
»Bin ich raus?«, fragte er, und die Reue in seiner Stimme war ehrlich.
»Was bist du nur für ein Arschloch!«
Der Weg war bekannt, sie mussten keine weiteren Worte verlieren. Kristina sagte nichts, als er ebenfalls ausstieg. Sollte er doch. Es war ohnehin egal.
Dr. Wuppermanns Parfüm hing aufdringlich zwischen den Glaswänden ihres Büros.
»Scheint ein gefährlicher Job zu sein, den Sie da haben«, kommentierte sie Daniels Gesicht.
Er zuckte mit den Schultern und schnitt eine Grimasse, die womöglich mütterliche Instinkte bei der Ärztin wecken sollte.
Kristina fragte nach den Autopsien und klang dabei frostiger als beabsichtigt.
»Die Berichte liegen bereits bei Ihnen auf dem Tisch«, erwiderte die Pathologin und lehnte sich in ihrem Schreibtischstuhl zurück.
Sie zwinkerte Daniel zu, was Kristina noch mehr verärgerte.
»Oder werden Sie von Ihrem neuen Vorgesetzten nicht mehr eingeweiht? Das empfände ich als
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