Die Kälte in dir (German Edition)
wie dem Täter das gestohlene Bauchfett dazu verhelfen sollte, dieses Defizit an Energieträgern in seinem Körper auszugleichen.
Schließlich entließ die Ärztin sie mit der Bitte, ihren Ausführungen keine allzu große Bedeutung beizumessen. Das Viszeralfett könne nur über einen komplizierten biochemischen Prozess in brauchbare Triglyceride umgewandelt werden. Das war der Wortlaut der Ärztin gewesen.
Biochemischer Prozess!
Damit hatte Daniel genug gehört und auch Kristina drängte zu einem schnellen Aufbruch. Ihm war klar, zu wem sie wollte und weshalb sie sich ein weiteres Mal auf den Weg nach Stuttgart begaben. Ohne Absprache, denn offensichtlich wollte der neue SoKo-Leiter Kristina lieber an ihrem Schreibtisch sitzen sehen.
Diese Gratwanderung konnte nicht mehr lange gut gehen, und wenn sie aufflogen, war er ebenso aus der Sache raus. Jetzt, wo es richtig interessant zu werden begann. Zweifellos war es ein Albtraum, was da geschah, und es klang makaber, aber bezogen auf sein Psychologiestudium konnte ihm nichts Besseres als dieser Serientäter passieren. Er musste so lange wie möglich am Ball bleiben.
»Was, wenn Carola Walz dem Mörder nicht zufällig begegnet ist?«, stellte er zur Diskussion.
»Warum bringt er sie dann vor unserer Haustür um? Tagsüber, am Remsufer …«, entgegnete Kristina.
Diese Umstände waren der einzige Schwachpunkt in ihrer Theorie, dass Carola Walz sterben musste, weil sie den Mörder kannte.
Sie hielt abrupt inne. »Sammelst du wieder Material, das du an die Presse verscherbeln kannst?«
»Du glaubst tatsächlich, ich hab was damit zu tun?«
Sie sah ihn lange an, dann sagte sie: »Ich weiß es nicht.«
Daniel schluckte die Enttäuschung hinunter. Es war sinnlos, mit ihr zu streiten. So würden sie nicht weiterkommen. Er änderte die Taktik. »Ich möchte dir helfen, diesen Irren zu fassen. Mehr ist da nicht. Das muss doch auch in deinem Interesse sein. Er wird wieder morden, wenn wir nicht schneller sind!«
»Wir …«
»Ja, wir. Ich bin dein letzter verbliebener Mann.«
Sie lachte abschätzig. »Ich traue dir nicht über den Weg, Daniel Wolf. Aber was kann es schaden, wenn ich dir zuhöre. Wie hat sich der geplante Mord an der Walz deiner Meinung nach zugetragen?«
Der Himmel wölbte sich stahlblau über der Stadt. Sie waren auf Höhe des Stadions angekommen. Von der anderen Seite des Neckars glänzte aluminiumfarben der futuristische Bau des Mercedes-Museums. Stadteinwärts war um diese Zeit ein gutes Durchkommen.
»Ich denke, er hat sie beobachtet. Vermutlich verfolgte er sie schon länger, und als er merkte, dass sie auf dem Weg zur Polizei war, wusste er, er musste handeln. Womöglich, weil sie uns sonst bewusst, oder meinetwegen auch unbewusst, einen Hinweis auf ihn gegeben hätte. Das würde erklären, warum sie in nächster Nähe zum Präsidium gestorben ist.«
»Das sind mir arg viele Zufälle«, bemängelte Kristina.
»Vielleicht beobachtet er auch uns«, murmelte Daniel vor sich hin. Er wollte den Gedanken nicht laut äußern, merkte aber, dass sie ihn von der Seite her musterte.
»Wie kommst du auf so was?«
»Vergiss es, war nur so ein Einfall, wegen der Nähe des Tatorts zur Polizeidirektion. Möglich, dass er uns damit provozieren wollte, uns zeigen, wie weit er gehen kann und wie hilflos wir ihm gegenüber sind.«
»Wir verlieren uns in Spekulationen«, wandte sie ein. »Wenn deine Theorie zuträfe, müssten sich Carola Walz und Piecek kennen. Dafür haben wir keinerlei Hinweis gefunden.«
»Du bleibst dabei, dass es Piecek ist?«, fragte er vorsichtig.
Sie standen an einer Ampel. Mit der nächsten Grünphase würden sie den Fluss überqueren und durch den Rosensteintunnel Richtung Innenstadt fahren.
Kristina deutete an, dass sie unsicher war. »Im Moment ist er unser einziger Verdächtiger, aber ich würde nicht drauf wetten, dass er es ist. Ein Blick in seine angeforderte Krankenakte wird uns vielleicht wenigstens Klarheit über seinen Geisteszustand verschaffen und ob es da mal Auffälligkeiten gegeben hat. Nichtsdestotrotz, wenn die Sache mit dem Fett nicht nur eine wahnhafte Veranlagung ist, sondern eine entscheidende Bedeutung hat, und Dr. Wuppermanns Theorie stimmt, sollte er von auffällig hagerer Gestalt sein.«
Eine Theorie, die wir ihr aufgezwungen haben
, dachte Daniel, bevor er weiter Kristinas Worten lauschte.
»Sollte er nicht irgendwie eingefallen und ausgemergelt aussehen? Dabei ist das genaue Gegenteil der Fall.
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