Die Kaempferin
mehr, da ihr eigenes Volk rings um sie knallige Orange-, Rot-, Grün- und Blautöne trug. Mit einer seltsamen Mischung aus Hoffnung und Furcht starrte sie die Chorl an.
Ihre Blicke hefteten sich auf die Gestalt der Chorl-Begabten auf dem an der Trotzig verzurrten Schiff.
Die beiden musterten einander, einen Atemzug lang, einen weiteren … aus Ottuls Augen sprach Flehen.
Dann vollführte die Chorl-Begabte auf dem anderen Schiff eine sonderbar förmliche Geste vor der Brust und verengte die Augen voll Hass. Ottul taumelte zurück, als wäre sie geschlagen worden.
Die Chorl-Begabte auf dem anderen Schiff hob eine Hand und schleuderte einen schimmernden, tödlichen Feuerstrahl auf Ottul.
Im letzten Augenblick wurde ein Schild hochgerissen, und Gwenn trat zwischen Ottul und die andere Begabte. Ottul zögerte. Tränen rannen ihr übers Gesicht. Dann streckte sie sich im Fluss zu Gwenn.
Eine Leitung wurde hergestellt – eine Leitung, wie die Ochea sie benutzt hatte.
Gwenns Schild strotzte vor Macht, doch Ottul ergriff einen Teil davon und sandte einen Hammer aus reiner Kraft zu der Chorl-Begabten, womit sie die Gegnerin überraschte. Kaum war ihr Schild unter dem Hieb zerbröckelt, jagte Ottul einen Dolch der Macht ins Herz der Begabten.
Die Chorl-Frau sank tot auf das Deck.
Ottul legte Gwenn, die vor Schreck wie erstarrt wirkte, eine Hand auf den Kopf und ließ den Blick über das Deck schweifen. Kurz schaute sie mir in die Augen, und ich erkannte in deren leuchtenden Tiefen völlige Verheerung und totalen Verlust.
Dann wandte sie sich ab, entdeckte Marielle und legte eine Leitung zu ihr.
Marielles Schild explodierte förmlich vor Kraft, blähte sich auf und umhüllte das gesamte Schiff.
Gleichzeitig kräuselten sich über uns die Segel und bauschten sich, füllten sich mit Wind.
Ich schaute zum dritten Chorl-Schiff – dem, das uns den Wind gestohlen hatte. »Es zieht sich zurück!«, rief ich.
Als der Wind die Trotzig erfasste, brüllte Bullick mit bluttriefender Kapitänsjacke Befehle, während sich die Taue, die das Chorl-Schiff mit der Trotzig verzurrten, jäh spannten und die Holzreling zu ächzen begann. Die Chorl auf den zwei anderen Schiffen brüllten, während die auf der Trotzig sich zu ihrem eigenen Schiff zurückzogen, bedrängt von Keven und den Gardisten, die losstürmten und ihnen zusetzten. Die Chorl gabenjede Ordnung auf und sprangen in die Sicherheit ihres verwundeten Schiffes. Mit einem letzten, grässlichen Knarren löste sich ein Teil der Reling und des Decks der Trotzig und stürzte, nach wie vor an den Tauen des Chorl-Schiffes befestigt, ins Meer. Die Trotzig erzitterte, als der Wind sie vollständig erfasste, und machte einen regelrechten Satz nach vorn. Das Chorl-Schiff fiel zurück, da es von dem Wasser gebremst wurde, das durch das Loch im Rumpf gedrungen war.
Jubel brach aus. Die letzten Chorl sprangen in das rasch vorbeiziehende Wasser oder wurden von den Gardisten niedergemetzelt. Weiter vorne stand eines der Chorl-Schiffe in Flammen, da man Heddans Feuer nicht mehr Herr wurde; das zweite Chorl-Schiff hatte abgedreht. Das letzte Schiff, das die von mir verwundete Begabte an Bord hatte, hatte ebenfalls den Kurs geändert und flüchtete aufs offene Meer.
»Sollen wir sie verfolgen?«, fragte Bullick schwer atmend. Seine Brust hob und senkte sich heftig, und er wischte sich Schweiß und Blut aus dem Gesicht.
»Nein«, erwiderte ich.
Beim Klang meiner Stimme fuhr er jäh herum und folgte der Richtung meines Blicks.
Ich starrte Heddan an, die weinend auf dem Deck kniete und sich Trielles Leichnam an die Brust drückte.
N EUNTES K APITEL
D reizehn Leichen reihten sich auf dem Deck. Jede war in eine Plane aus jenem Stoff gewickelt, der für die Hängematten verwendet wurde, und darin eingenäht worden. Man hatte Bleigewichte beigelegt, damit die Körper versanken. Sieben der Toten waren Seeleute gewesen, die von ihren Schiffskameraden in die Leichentücher genäht worden waren, fünf weitere Gardisten.
Die Letzte war eine Begabte.
Ich starrte auf Trielles Leichensack hinunter, der auf einem Brett ruhte. Ein Ende lag auf dem Deck, das andere hochgekippt auf der Reling. Neben mir sprach Bullick mit lauter Stimme ein paar Worte. Diejenigen, die sich auf dem Deck eingefunden hatten – fast jeder an Bord –, schwiegen. Ich hörte den Kapitän nicht; für mich war seine Stimme nur ein Murmeln bedeutungsloser Worte. Und doch vernahm ich alle anderen Geräusche auf dem Schiff klar
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