Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kaempferin

Die Kaempferin

Titel: Die Kaempferin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Palmatier
Vom Netzwerk:
Ottuls Blick sich keinen Lidschlag lang von meinem. Sie zeigt keine Regung, bis alle einen Platz gefunden hatten.
    Erst dann verengte sie die Augen zu Schlitzen. Mit einer Stimme so hart wie Stein fragte sie: »Ihr dem Meer geben?«
    Ich runzelte die Stirn. Eigentlich hätte ich als Erste eine Frage stellen sollen.
    Aber immerhin redete sie, obendrein in der Sprache der Küste, wenngleich stockend und mit sonderbarer Betonung.
    Die Zeit mit Gwenn hatte ihr gutgetan.
    »Ich verstehe nicht …«, gab ich zurück.
    »Tote.« Ottul deutete mit einer Hand in Richtung des Oberdecks. Sie war im Anschluss an das Gefecht oben geblieben, als die Leichen – sowohl die aus Amenkor als auch die der Chorl –, aufgebahrt wurden und das Deck gesäubert wurde.
    Allerdings war sie nicht dabei gewesen, als die toten Chorl kurzerhand über Bord gehievt worden waren.
    »Ihr Tote dem Meer geben?«, fragte sie erneut.
    Unsicher nickte ich. »Ja.«
    »Gut.« Ottul entspannte sich, murmelte irgendetwas, wohlein Gebet, und hob die Arme dann mit den Handflächen nach oben zur Decke, legte den Kopf zurück und schloss die Augen. Ich vermutete, dass sie lieber in die gekrümmte Haltung gesunken wäre, die sie in ihrem Zimmer in Amenkor so oft einnahm, doch in der Kabine war zu wenig Platz dafür. Sie summte irgendetwas – kein Lied, eher eine kehlige Floskel, die sie unablässig wiederholte. Dann verstummte sie, schlug die Augen auf und richtete den Blick wieder auf mich. Ihre Hände sanken in ihren Schoß. Die Bürste, mit der sie Gwenn das Haar gekämmt hatte, hielt sie noch immer fest. Irgendetwas an ihrer Haltung wirkte anders.
    Plötzlich erkannte ich, dass sie nicht mehr so verkrampft zu sein schien. Sie hatte sich entspannt, als wäre sie befreit worden … oder als hätte sie nichts mehr, wovor sie sich fürchten könnte.
    »Alle Chorl dem Meer gegeben«, sagte sie. Der raue Klang war aus ihrer Stimme gewichen, nicht aber die Inbrunst. »Alle zurück zum Meer oder werden …« Einen Augenblick mühte sie sich ab; dann gab sie es auf. »Werden Ankril. Können nicht finden Queotl.«
    »Ankril? Queotl?« Ich schaute zu Avrell und Keven und sah ihre verdutzten Gesichter.
    »Verloren«, sagte Gwenn leise. »Sie meint, dass man die Körper dem Meer überantworten muss, sonst sind die Krieger verloren, weil sie Queotl nicht finden können.« Kurz redete sie in der Sprache der Chorl mit Ottul. »Die Ankril sind jene, die verloren sind.«
    »Und was ist Queotl?«
    Gwenn schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. ›Que‹ bedeutet Feuer. ›Otl‹ entspricht Himmel. Feuerhimmel?«
    Meine Augen weiteten sich, und ich murmelte: »Die Himmelsfeuer.« Ich wandte mich Avrell und Keven zu. »So haben die Ochea und der Priester Haqtl das Weiße Feuer genannt.«
    »Wenn sie sterben, müssen sie die Himmelsfeuer suchen«,folgerte Avrell. »Nach dem zu urteilen, was sie sagt, können sie die Feuer nur finden, wenn ihre Körper der See ›gegeben‹ werden.«
    »Wo ist Queotl?«, wollte ich von Ottul wissen. »Wo sind die Himmelsfeuer?«
    Verwirrt furchte sie die Stirn. Ob es daran lag, dass sie nicht die rechten Worte fand, oder daran, dass die Antwort ihrer Meinung nach offensichtlich war, konnte ich nicht sagen. »Kommen von Meer. Aus Westen. Leben in Osten.«
    Westen. Die Richtung, aus der das Weiße Feuer gekommen war. Ich versuchte, mir meine Zerknirschtheit nicht anmerken zu lassen. Anscheinend wussten die Chorl ebenso wenig wie ich, woher das Weiße Feuer stammte.
    Nur glaubten sie, dass es vom Meer kam. Weil sie gesehen hatten, wie es auf dem Meer seinen Ursprung nahm? Oder weil sie wussten, dass es im Westen nur das Meer gab?
    Ich dachte zurück an das Häuserdach am Siel, als das Feuer zum ersten Mal über dem Wasser am Horizont erschienen war und sich einen Weg durch Amenkor gesengt hatte. Bei diesem Bild konnte ich verstehen, weshalb die Chorl glaubten, das Feuer käme vom Meer. Aber irgendwie konnte ich mich nicht dazu durchringen, selbst daran zu glauben.
    Und sie dachten, es lebte im Osten? Waren sie deshalb zur Küste gekommen?
    Oder eher, weil ihre Geschichte ihnen sagte, dass wir dort lebten?
    Ich seufzte. Ich war nicht hierhergekommen, um etwas über das Feuer herauszufinden.
    Ich deutete zum Deck über uns und verlieh meiner Stimme einen harten Klang. »Was ist dort oben geschehen? Warum hast du die Chorl-Begabte getötet? Warum hast du nicht versucht, zu flüchten, zu deinem Volk zurückzukehren?«
    Ein Hauch der alten

Weitere Kostenlose Bücher