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Die Kaempferin

Die Kaempferin

Titel: Die Kaempferin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Palmatier
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und deutlich. In der Stille klangen sie beinahe brüchig. Das Pochen einer Holzrolle gegen einen Mast und das Flattern einer Flagge waren zu vernehmen.
    Das Schiff schaukelte auf den Wellen, und die Brise wehte mir das Haar ins Gesicht, aber ich rührte keinen Finger, um es wegzuwischen.
    Gwenn hatte Trielles Leichensack zugenäht und dabei die ganze Zeit leise geweint. Ihre Stiche waren tadellos, denn ihre Hände waren ruhig geblieben, obwohl ihr Tränen vom Kinn getropft waren und das Tuch genässt hatten. Anfangs hatten Marielle und Heddan ihr helfen wollen, überließen es dann aber Gwenn und gingen stattdessen Keven, William und den verbliebenen Gardisten bei den Leichensäcken für die gefallenen Soldaten zur Hand. Alle waren gedrückter Stimmung.
    Mir war nicht klar gewesen, wie Amenkor die Begabten betrachtete.Ich hatte nicht gewusst, dass sie seit dem vergangenen Winter, als die Bevölkerung sie fast täglich bei der Arbeit in den Küchen und beim Austeilen von Lebensmitteln gesehen hatte, fast so sehr verehrt wurden wie die Regentin selbst.
    Nun jedoch sah ich es in ihren Gesichtern und Augen und erkannte es daran, wie sie die Häupter neigten. Schon am Vortag hatte ich es bemerkt, als die Erkenntnis, dass eine der Begabten gefallen war, die Freude über den Rückzug der Chorl so jäh enden ließ, als wäre sie von einer Axt abgehackt worden.
    Trielle …
    Einen Augenblick spürte ich sie im Fluss, wie sie selbstsicher und gekonnt auf ihn einwirkte. Ich hörte den verspielten Klang ihrer Stimme, wenn sie mich wegen William oder Brandan aufzog. Ich sah, wie sie anerkennend eine Augenbraue hochzog, wenn ein gut aussehender Mann auf den Straßen von Amenkor vorüberging … oder auf dem Deck der Trotzig .
    Ich hörte sie lachen.
    Dann wurde mir bewusst, dass Bullick verstummt war und sich zu mir gebeugt hatte.
    »Möchtet Ihr auch etwas sagen?«, erkundigte er sich leise.
    Ich ließ den Blick über die auf dem Deck Versammelten wandern, über die Gardisten und Seeleute, die sich zu Füßen der dreizehn verhüllten Leichen aufgestellt hatten – ihrer Schiffskameraden, Waffenbrüder, Freunde. Avrell stand neben mir. Keven, William, Isaiah, Heddan und Marielle umgaben mich wie eine stützende Mauer. Gwenn war unter Deck bei Ottul geblieben.
    Alle an Deck beobachteten mich erwartungsvoll. Und auf den anderen zwei Schiffen, die während des Angriffs gelitten hatten – der Preis und der Kriegsbeute –, konnte ich spüren, dass die Besatzungen vor ihren eigenen Toten standen und auf das Zeichen warteten, auf den ersten Leichnam, der von der Trotzig ins Meer gekippt wurde, damit sie mit denen, die sie selbst verloren hatten, dasselbe tun konnten.
    Für gewöhnlich hasste ich es, vor Menschenmengen zu reden. Diesmal nicht.
    Ich holte tief Luft, tauchte in den Fluss und warf ein Netz aus, das sich über die anderen vier Schiffe spannte, sogar über Tristans Schiff, damit alle mich hören konnten, ganz gleich, wie leise ich sprach.
    »Mir wurde einst gesagt, dass stets ein Preis zu bezahlen ist«, begann ich mit rauer, belegter Stimme. Es war mir einerlei. Ich nahm das Erschrecken auf den anderen Schiffen wahr, als man mich dort hörte, und vernahm das Gemurmel auf der Trotzig , das plötzliche Scharren von Füßen. »Ich weiß es, denn ich bin am Siel aufgewachsen. Aber manchmal erscheint mir der Preis zu hoch.« Ich schaute zu den Leichen; dann hob ich das Kinn und musterte mit verbissenen Zähnen alle auf Deck Versammelten, blickte in ihre Gesichter und ihre von Tränen verquollenen Augen, betrachtete ihren Kummer. »Diese Männer und Frauen haben den Preis für uns Überlebende bezahlt. Sie haben ihn bezahlt, um uns allen die sichere Weiterfahrt nach Venitte zu ermöglichen. Lasst uns daran denken, wenn wir in den Hafen einlaufen. Lasst uns ihrer gedenken.«
    In der Totenstille, die folgte, trat Bullick vor und räusperte sich verlegen. »Mit diesen Worten überantworten wir die Toten im Namen der Regentin der See. Und im Namen ganz Amenkors.«
    Eine Glocke läutete mit schrillem Klang. Einige Gardisten zuckten zusammen; Marielle japste; Heddan schrie kurz und spitz auf. Zwei Seeleute gingen zum ersten Leichnam – Trielle –, packten das hintere Ende des Bretts, auf dem ihr Körper ruhte, und hoben es auf Hüfthöhe an, sodass es bündig mit der Reling war. Dann verlagerten sie den Griff und kippten es höher.
    Das Geräusch ihres von dem Brett rutschenden Körpers zwang mich, die Augen zu schließen; das

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