Die Kaempferin
auf.
»Sie hat es nicht getan, weil sie die anderen hasst«, sagte Gwenn. »Weil diese ihre Schwester umgebracht haben.«
So ganz stimmt das nicht, dachte ich. Als Ottul während des Angriffs an Deck gekommen war, hatte ich die Hoffnung in ihrem Gesicht gesehen – die Hoffnung, dass die Chorl sie vielleicht zurücknehmen würden. Erst nachdem die andere Chorl-Begabte jene schlitzende Geste vor der Brust vollführt hatte – und nachdem Gwenn bedroht worden war –, hatte sie Vergeltung geübt.
Ich seufzte. Plötzlich wurden mir die Anspannung von dem Gefecht, der Kummer danach und die Verabschiedung von den Toten zu viel.
Ich wandte mich Marielle und Gwenn zu. »Bleibt bei ihr«, wies ich sie an. »Seht zu, ob ihr noch mehr in Erfahrung bringen könnt.«
Marielle nickte, obwohl ich ihr den eigenen Kummer und die Erschöpfung an den Augen ablesen konnte.
Ich gab Avrell und Keven ein Zeichen und ging in Richtungmeiner Kabine. Dann aber fiel mir Heddan ein, und ich blieb stehen.
»Nehmt meine«, bot Keven an.
Ich nickte, drehte mich seitwärts, um mich an der steilen Leiter vorbeizuschieben, die hinauf an Deck führte, und betrat Kevens Kabine.
Als Keven sich durch die Tür duckte und sie hinter sich schloss, sagte Avrell: »Sie scheint mir jetzt wesentlich bereitwilliger zu sein, mit uns zusammenzuarbeiten.«
»Irgendetwas ist während des Angriffs der Chorl an Deck geschehen, als sie mit Gwenn heraufkam. Habt Ihr es gesehen?«
Avrell schüttelte den Kopf. Keven jedoch brummte. »Die andere Chorl-Begabte hat eine Art Geste vollführt, als zöge sie sich eine Klinge über die Brust.«
»Ich glaube, Ottul dachte, die Chorl würden sie vielleicht zurücknehmen, doch die andere Begabte hat sie von ihrem Volk abgeschnitten und anschließend versucht, sie zu töten.«
Avrell zog die Augenbrauen hoch. »Also bedeutet ›vergessen‹ den Tod?«
»Anscheinend. Deshalb haben die Chorl-Krieger, die wir gefangen hatten, sich umgebracht. Und anfangs schien Ottul bereit, den Tod hinzunehmen.«
»Was meint Ihr damit? Sie hat doch zurückgeschlagen und die andere Begabte getötet.«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Zuerst hat sie gar nichts getan. Sie hat erst eingegriffen, als Gwenn zwischen sie und die andere Begabte trat, um Ottul zu beschützen. Ich glaube, sie hat die andere Chorl getötet, um Gwenn zu retten. Zwischen Ottul und Gwenn besteht eine starke Verbindung, weil Gwenn sie an ihre Schwester erinnert.«
»Also können wir ihr vertrauen?«, fragte Keven.
Ich zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Aber sie arbeitet wegen Gwenn mit uns zusammen … und weil sie vergessen ist. Daran besteht jetzt kein Zweifel mehr für sie. Ich denke,ohne Gwenns Einschreiten hätte sie sich von der anderen Chorl töten lassen.«
»Aber können wir darauf vertrauen? Reicht das?«
Erneut schüttelte ich den Kopf. »Nein. Noch nicht.«
Avrell wurde förmlicher. »Sie könnte ihre Vertrauenswürdigkeit unter Beweis stellen.«
»Und wie?«
»Sie könnte Euch gestatten, einen Teil des Feuers in sie zu pflanzen.«
Ich erstarrte. »Dann könnte ich sehen, was sie denkt, und die Herrschaft über sie übernehmen, wenn es notwendig wäre.«
»Warum könnt Ihr das Feuer nicht sowieso in sie pflanzen?«, wollte Keven wissen. »Mit ihrer Erlaubnis oder ohne.«
»Weil sie eine Begabte ist. Sie kann sich mit einem Schild schützen.«
»Und es hätte eine größere Bedeutung, wenn sie es gestattet«, fügte Avrell hinzu. »Es würde bestätigen, wem jetzt ihre Gefolgstreue gehört.«
»Ich werde es ihr von Gwenn erklären lassen. Mal sehen, ob Ottul bereit dazu ist. Aber nicht sofort.« Ich rieb mir die angespannte Haut um die Augen.
»Aber tut es, ehe wir Venitte erreichen. Bevor wir sie dem Rat der Acht und Fürst March vorstellen, müssen wir uns ihrer sicher sein.« Auf mein Nicken hin seufzte Avrell. »Zumindest dürfte sie jetzt bereit sein, bei den Leitungen zu helfen, die Ihr und Eryn zu bilden versucht habt.«
»Sie hat dabei bereits geholfen. Sie hat eine Leitung benutzt, um Gwenn während des Gefechts zu stärken, und dann noch einmal, um Marielle zu stützen und die Trotzig vor weiteren Angriffen zu bewahren, während die Chorl sich zurückzogen. Selbst wenn sie sich von nun an weigert, uns zu helfen, konnte ich von diesen beiden Beispielen so viel lernen, dass ich mir wahrscheinlich zusammenreimen könnte, wie ich eigene Leitungen bilden kann.«
»Dann hat es wenigstens etwas Gutes gehabt.«
Ich ließ mich
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