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Die Kaempferin

Die Kaempferin

Titel: Die Kaempferin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Palmatier
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kraftlos auf einen Klappstuhl sinken. Die lange Nacht mit den Nachwehen des Angriffs und den Vorbereitungen für die Verabschiedung der Toten forderte ihren Tribut. Doch der heiße Kummer, den ich während des Begräbnisses so verkrampft in mir verschlossen hatte, siedete noch immer in meinen Eingeweiden.
    »Da ist noch etwas«, sagte Avrell.
    Ich seufzte tief. »Und was?«
    »Ottul hat gesagt, all diejenigen, die nicht ins Meer zurückkehren, sind verloren.«
    »Ja. Sie sind nicht in der Lage, die Himmelsfeuer zu finden.«
    Mit verkniffener Miene nickte er. »Es scheint mir … bedeutsam zu sein. Für sie selbst und vermutlich für die Chorl im Allgemeinen. Denkt nur daran zurück, wie unbedingt sie wissen wollte, ob wir die Leichen an Deck dem Meer übergeben hatten, sogar die unserer eigenen Leute. Und bedenkt ihr Verhalten, als Ihr zu ihr sagtet, das hätten wir getan.«
    »Und?«
    Vorsichtig trat er einen Schritt vor. »Bevor all dies vorüber ist, werden wir höchstwahrscheinlich mit den Chorl verhandeln, einen Waffenstillstand vereinbaren und uns über Bedingungen für einen Vertrag einigen müssen. Wie Ihr bereits gesagt habt – sie haben keine Heimat mehr, in die sie zurückkehren könnten. Wir können sie auch nicht aufs Meer zurückdrängen, wie die Sieben es einst gemacht haben. Wir können nicht erwarten, dass sie allein von ihren Schiffen leben. Sie würden sich der Seeräuberei zuwenden. Die Sicherheit der Küste wäre ständig gefährdet. Letzten Endes werden wir uns mit ihnen auseinandersetzen müssen.«
    Ich runzelte die Stirn. So weit hatte ich noch nicht vorausgedacht. Ich hatte mir keine Gedanken darüber gemacht, was zu tun sein könnte, wenn es uns gelänge, die Chorl von Venitte fernzuhalten … und von dem zweiten Thron.
    Aber Avrell hatte recht. Die einzige andere Möglichkeit wäre, sie alle zu töten.
    Aber das wollte ich nicht, trotz des Überfalls auf Amenkor und des Angriffs auf die Schiffe.
    Ich wandte meine Aufmerksamkeit wieder Avrell zu. »Und?«, fragte ich, wobei es mir schon an diesem Punkt nicht gefiel, wohin er mich führte.
    In bester Manier eines Oberhofmarschalls, die Hände in den Ärmeln seines Gewands verborgen, zögerte er. »Denkt daran zurück, was wir mit den Leichen der Chorl nach dem Angriff auf Amenkor gemacht haben. Oder mit denen der dreizehn Chorl-Krieger, die sich nach ihrer Gefangenschaft umgebracht haben.«
    Ich runzelte die Stirn. »Wir haben sie verbrannt …«
    Jäh verstummte ich und warf einen entsetzten Blick zu Keven.
    »Genau«, pflichtete Avrell mir leise bei. »Wie würdet Ihr Euch verhalten, würdet Ihr erfahren, dass die Leute, mit denen Ihr verhandelt und einen Vertrag abzuschließen versucht, Eure Toten entweihen? Sie praktisch davon abgehalten haben, die Himmelsfeuer zu erreichen?«

    »Ist sie bereit?«
    »Ich glaube schon«, antwortete Avrell und drehte sich der geschlossenen Tür zu Ottuls Kabine zu. »Gwenn hat ihr alles erklärt. Soweit sie es beurteilen kann, versteht Ottul, was wir von ihr verlangen.« Stirnrunzelnd drehte er sich zurück. »Seid Ihr sicher, dass Ihr allein hineingehen wollt?«
    »Ihr solltet zumindest Gwenn mitnehmen«, schlug Keven vor.
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Das muss nur zwischen uns beiden erfolgen.«
    Keven blickte besorgt drein, doch er und Avrell traten beiseite.
    »Wir warten hier draußen«, sagte der Oberhofmarschall.
    Drinnen schauten Ottul und Gwenn auf. Die Chorl-Begabte saß, während Gwenn vor ihr stand. Als Gwenn mich erblickte, wandte sie sich Ottul zu, umarmte sie und murmelte ihr in der Sprache der Chorl etwas zu. Ottul lächelte unsicher.
    Dann ging Gwenn und schloss die Tür hinter sich.
    Kaum war die Tür zu, erhob sich Ottul, trat vor und kniete sich vor mich. Sie senkte den Kopf und murmelte: »Ochea.«
    Verwirrt spürte ich, wie mich ein Schauder durchlief. »Ich bin nicht die Ochea.«
    Ottul schaute auf. »Du benutzen Sicht. Du benutzen Queotl … Feuer. Du herrschen Schiff, Stadt, Krieger. Du Ochea.«
    Unbehaglich trat ich von einem Bein aufs andere. Der Gedanke, dass die Chorl mich als die Ochea betrachtete, dass sie mich mit jener Frau in Verbindung brachte, die ich im Thronsaal von Amenkor getötet hatte …
    Ich schob diesen Gedanken beiseite. »Ich bin die Regentin, nicht die Ochea. Bist du sicher, dass du das tun willst? Du wirst damit die Chorl verraten, dein eigenes Volk.«
    Abermals senkte Ottul den Kopf. Das Haar fiel ihr vor das Gesicht und verhüllte es. Ihre Stimme war

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