Die Kaempferin
spürten. Warnend verdüsterte ich meine Stimme und sagte: »Amenkor ist lebendig. Es geht der Stadt gut. So gut, dass wir hierhergereist sind, um Euch unsere Unterstützung anzubieten, als wir erfuhren, dass die Chorl nicht gegen uns, sondern gegen Venitte vorrücken.«
Die Mitglieder des Rates der Acht strafften sich auf ihren Sitzen, während die Schreiber und Pagen hinter ihnen plötzlich unruhig wirkten. Ich ließ sie noch kurz das Gewicht des Flusses spüren und hielt die Aufmerksamkeit auf Fürst Demasquegerichtet; dann ließ ich den Fluss abflauen und wandte mich wieder Fürst March zu.
»Man muss sich der Chorl annehmen. Sie hätten Amenkor beinahe zerstört – an nur einem einzigen Tag. Sie haben sich die Boreaite-Inseln und die Bootsmannsbucht angeeignet. Und als wir Temall verließen, sagte Fürst Pyre, dass sie gen Venitte marschieren.«
Fürst March nickte mit düsterer Miene. »Kapitän Tristan hat mir bereits mitgeteilt, was in Temall geschehen ist. Er behauptet, Euer Handeln habe uns Fürst Pyres Unterstützung gekostet.«
Die Schelte schmerzte, und meine Nasenflügel bebten trotzig. Ich bemerkte, wie Avrell an meiner Seite sich warnend rührte, doch ehe er mich zur Vorsicht mahnen konnte, hatte ich mich bereits wieder unter Kontrolle. Ich holte tief Luft und nickte.
»Ja. Ich dachte, die Chorl hätten Temall bereits eingenommen und den Vormarsch auf Amenkor begonnen. Deshalb habe ich Sucher als Kundschafter entsandt, ohne zuvor Fürst Pyres Genehmigung einzuholen. Er fühlte sich dadurch beleidigt. Außerdem ist er der Meinung, dass die Chorl keine Bedrohung darstellen. Aber das ist ein Irrtum.«
Fürst March ließ sich meine Worte schweigend durch den Kopf gehen, als versuchte er, zu einer Entscheidung zu gelangen. Schließlich nickte er und beugte sich vor. »In diesem Rat glauben einige«, begann er, »dass es die Chorl gar nicht gibt, dass sie bloß eine Art Seeräuberbande sind, die sich alter Geschichten über blauhäutige Meeresdämonen bedient, um Angst und Schrecken zu verbreiten und ihre Beutezüge erfolgreicher zu machen.« Ein spöttischer Tonfall hatte sich in seine Stimme geschlichen. Ich spürte, wie Fürst Boradarn auf seinem Sitz das Gewicht verlagerte, während Fürstin Parmati die Stirn in Falten legte.
Fürst Marchs Aufmerksamkeit wanderte von mir zu Ottul. »Aber wie ich sehe, habt Ihr den Beweis mitgebracht, dass es die Chorl tatsächlich gibt.«
Fürstin Parmati schnaubte. »Sie könnte blau bemalt sein,um wie einer der Meeresdämonen aus den Legenden auszusehen.«
»Und das Wagnis eingehen, dass wir sie überprüfen? Hier, inmitten des Rates der Acht?« Fürst March gab sich keine Mühe mehr, seinen Hohn zu verbergen. »Das hier ist keine Eurer gestellten Geschichten, Fürstin Parmati. Das hier sind keine Schauspieler, die zu Eurer Unterhaltung und der Eurer Gäste Reden schwingen. Wollt Ihr öffentlich behaupten, dass die Regentin von Amenkor lügt? Zweifelt Ihr an den Worten von Kapitän Tristan und seiner Besatzung? Sie haben gegen die Chorl gekämpft! Ihre Geschichten haben sich bereits in Venitte verbreitet. Geschichten, die von anderen Kapitänen und Händlern bestätigt werden.«
Fürstin Parmati reckte ob Fürst Marchs Tonfall und seines beinahe sichtbaren Zorns das Kinn vor und klappte den Mund zu. Eine leichte Röte kroch die blasse Haut ihres Halses hinauf bis zum Ansatz des lockigen schwarzen Haars, das sie mit zwei Nadeln hochgesteckt trug. Ihre baumelnden Goldohrringe funkelten im Licht, als sie vor Wut zitternd die Augen zu Schlitzen verengte.
Doch sie erwiderte nichts.
Fürst Marchs Blick schweifte über den Rest der anwesenden Fürstinnen und Fürsten. »Möchte noch jemand die Absichten der Regentin infrage stellen?«
Stille. Nicht einmal das Rascheln von Kleidung war zu vernehmen.
Im Fluss jedoch spürte ich Feindseligkeit. Sie kam von Demasque und Parmati, deren Gestalten sich rot abzeichneten. Ihre Feindseligkeit richtete sich gegen mich und Fürst March.
Der Fürst lehnte sich zurück und wandte sich mir zu. »Amenkor ist immer ein Verbündeter gewesen, auch wenn wir bisweilen Meinungsverschiedenheiten hatten. In dieser Angelegenheit glaube ich nicht, dass wir unterschiedlicher Auffassung sind. Nach allem, was Ihr mir erzählt habt, was Kapitän Tristanhöchstpersönlich gesehen und erfahren hat, halte ich die Chorl sehr wohl für eine Bedrohung. Und wenn sie gen Venitte marschieren, müssen wir Vorbereitungen treffen. Ich bedauere nur,
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