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Die Kaempferin

Die Kaempferin

Titel: Die Kaempferin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Palmatier
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flatterten, als wir unter dem Bogen hindurchfuhren. Zu beiden Seiten befanden sich schwere Holztüren, und in den Schatten über uns verbargen sich die Spitzen eines Metalltors.
    »Deranians Wall«, sagte Avrell.
    Die Mauer, an der die Sieben gemeinsam mit den Bürgern der Stadt die Chorl bei deren erstem Angriff auf Venitte aufgehalten hatten. Ich schaute aus dem Fenster und folgte mit Blicken der gekrümmten Linie des Walls, bis sie über den Rand des Hügels im Süden verschwand.
    Menschen waren auf dieser Mauer gestorben. Tausende und Abertausende, sowohl Chorl als auch Venitter.
    Im Sonnenlicht wirkte sie zu weiß, zu sauber.
    Zwanzig Minuten später kamen die Kutschen am Fuß der breiten Treppe zum Stehen, die hinauf zum Ratsgebäude führte, über dessen Mauern lange Banner herabhingen, die sich in der Brise kräuselten. Eine Eskorte des Protektorats stand wartend vor der Treppe. Sobald alle versammelt waren – wobei Keven die Begabten samt Ottul in der Mitte der Gruppe anordnete –, erklommen wir die Stufen, überquerten einen weiteren, von hohen Säulen gesäumten Platz mit einem rechteckigen Wasserbecken in der Mitte und schritten anschließend durch zwei dicke, offen stehende Türen, bis wir durch die Vorhalle in eine weitere Halle gelangten, deren Wände von riesigen Urnen und Topfpflanzen gesäumt wurden. Schließlich erreichten wir weitere Türen, vor denen ebenfalls Soldaten des Protektorats standen.
    Worte wurden gewechselt; dann huschte einer der Soldaten durch die Türen.
    Wir warteten.
    Ich tauschte einen gereizten Blick mit Avrell, schaute hinaus in den Raum, tauchte in den Fluss und beobachtete die Strömung der Leute, die eiligen Schritte der jungen Boten und den gemächlicheren Gang älterer Männer und Frauen. Zwei Männer führten in einer entfernten Ecke ein hitziges Streitgespräch. Sämtliche Gardisten strahlten Anspannung aus.
    Dann öffneten sich die Türen wieder, und ein Mann kam auf uns zu, gekleidet in Gewänder, die an jene Avrells erinnerten;allerdings waren sie burgunderrot und golden statt dunkelblau wie bei meinem Oberhofmarschall.
    »Fürst March und der Rat der Acht sind bereit, Euch zu empfangen«, verkündete der Mann und deutete auf den offenen Durchgang.
    Plötzliche Angst erfasste mich, und meine Handflächen fühlten sich verschwitzt an. Meine Finger wanderten zu meinem Dolch, doch ich riss die Hand zurück, straffte die Schultern und nickte dem Mann in Burgunderrot zu.
    Er führte uns in die Ratskammer.
    Fürst March saß auf einem Stuhl mit hoher Rückenlehne in der Mitte einer Gruppe von Tischen, die zu einem U angeordnet waren, das sich zur Tür hin öffnete. Die acht Mitglieder des Rates waren in zwei Vierergruppen zu beiden Seiten aufgeteilt, wobei alle der Mitte des Raumes zugewandt waren. Hinter jedem Sitz befanden sich weitere Stühle, auf denen Pagen und Schreiber in verschiedenen Schattierungen von Burgunderrot der Befehle ihres Fürsten oder ihrer Fürstin harrten. Über jedem Sitz hing ein Banner mit dem Zeichen des Hauses, von dem es kündete. Alle Banner – bis auf das von Fürst March – zeigten Vögel, meist mit länglichen Beinen, dürren Hälsen, gefiederten Kämmen und langen, spitzen Schnäbeln. Der Marmorboden besaß ein außen schwarzes Muster, das ein Kreis von weißen Strahlen durchdrang, die alle von der gekrümmten Wand hinter Fürst March ausgingen. Der gekrümmte Abschnitt der Wand war aus schwarzem Stein gefertigt, während die umliegenden Wände aus grauweißem Granit bestanden. Schlagartig wurde mir klar, dass ich wusste, was sich hinter jener gekrümmten Wand befand.
    Die Obsidiankammer, die Cerrin als Rat der Sieben bezeichnet hatte. Dort hatten die Sieben sich versammelt, hatten Unterredungen geführt und Pläne geschmiedet.
    Und dort waren sie beim Erschaffen der beiden Throne gestorben.
    Ein Schauder durchlief mich, als ich mich daran erinnerte, wie die Sieben sich unter der Macht des Thrones gewunden hatten. Ich hatte gespürt, wie sie alle gestorben waren. Die Erinnerung hinterließ den Geschmack von Asche in meinem Mund.
    »Fürst March«, sagte unser Begleiter, »Fürsten und Fürstinnen des Rates, ich möchte Euch die Regentin von Amenkor vorstellen.«
    Ich löste die Augen von der Kammer des Rates der Sieben und der schwarzen Wand, schüttelte den Geschmack von Blut im Mund ab und richtete die Aufmerksamkeit auf Fürst March.
    Er trug einen schwarzen und burgunderroten Umhang mit Goldfaden, der raschelte, als er sich erhob.

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