Die Kaempferin
dass wir Euch nicht zu Hilfe kommen konnten, als die Chorl Amenkor angegriffen haben.«
Während er sprach, wuchs die Feindseligkeit im Fluss … allerdings nicht aus jeder Richtung. Fürst Sorrenti – eine Mischung aus Grau und Rot – wurde nun vollkommen grau, ebenso Fürstin Casari und die Fürsten Boradarn und Dussain.
Auch Fürst March wurde fast gänzlich grau. Nur ein leichter roter Schimmer blieb.
»Es gab keine Vorwarnung«, sagte ich. »Venitte hätte gar keine Möglichkeit gehabt, uns zu helfen.«
»Da habt Ihr recht. Dafür wurden wir über den Angriff auf Venitte vorgewarnt, wofür wir dankbar sind – nun, da die Behauptung endlich vom Tisch ist, die Chorl wären lediglich Räuber. Wenn Ihr uns bitte entschuldigt, wir müssen mit unseren Vorbereitungen beginnen.«
Ich runzelte ob der plötzlichen Entlassung die Stirn und hätte mich beinahe umgedreht, um mich zurückzuziehen. Ich spürte, dass Avrell es sich inständig wünschte. Doch ich hielt inne.
Fürst March bemerkte mein Zögern, obwohl er seine Aufmerksamkeit bereits von mir löste. Fragend zog er eine Augenbraue hoch.
Ich ließ meine Verärgerung in meine Stimme einsickern und fragte: »Ist unsere Bewegungsfreiheit nach wie vor auf unsere Unterkunft beschränkt?«
Einige Ratsmitglieder erstarrten angesichts meines Tonfalls.
Fürst March hingegen lächelte zum ersten Mal, seit wir eingetroffen waren. »Selbstverständlich nicht, Regentin. Ganz Venitte steht Euch zur Verfügung.«
Ich nickte, drehte mich um und schritt durch mein Gefolge, das sich vor mir teilte, zur Tür hinaus.
Ich begann erst zu zittern, als die Kutsche den halben Weg zurück zum Hoheitsgebiet Amenkors hinter sich gelassen hatte und ich den aufgestauten Atem mit einem langen Seufzen entließ. Avrell beugte sich vor.
»Das ging besser, als ich erwartet hatte«, sagte er.
»In welcher Hinsicht?«, fragte ich.
Ein Lächeln umspielte seine Lippen. »In Amenkor stellt Euch als Regentin niemand infrage, und niemand tadelt Euch.«
»Ihr stellt mich ständig infrage.«
»Stimmt. Aber Ihr hört selten auf mich.«
Darauf wusste ich nichts zu erwidern. Mir fiel auf, dass Marielle, William und Keven die an den Fenstern vorüberziehende Stadt gebannt beobachteten.
»Hier in Venitte«, fuhr Avrell fort, »seid Ihr nicht die einzige Macht. Ihr habt den Rat heute gesehen. Ich hatte erwartet, Euer Stil und der Venittes würden aufeinanderprallen.«
»So war es doch auch.«
Avrell schüttelte den Kopf. »Nicht so schlimm, wie Ihr glaubt. Fürst March hat mehr getan, als Euch bloß in Venitte willkommen zu heißen. Er hat gegenüber dem gesamten Rat verkündet, dass er Euch als Regentin von Amenkor anerkennt, mit oder ohne Thron. Er hat erklärt, dass die Unstimmigkeiten, die zuvor hinsichtlich der Chorl im Rat offenbar geherrscht hatten, nunmehr beendet sind.«
»Und er hat den Krieg ausgerufen«, meinte Keven.
Avrell runzelte die Stirn. »Ja, das hat er.«
»Warum dann das Stirnrunzeln?«, fragte William. »War das nicht die Absicht unserer Reise hierher? Venitte zu warnen? Die Stadt auf die Chorl vorzubereiten?«
»Er runzelt die Stirn«, antwortete ich, »weil nicht alle im Rat der Acht Fürst Marchs Ansicht teilen.«
Avrell musterte mich fragend. »Ihr wart noch nie in Venitte,seid den Ratsmitgliedern nie zuvor begegnet. Was habt Ihr heute in der Ratskammer gesehen?«
Ich ging all die Gefühle durch, die ich im Fluss wahrgenommen hatte. Nicht als Regentin Amenkors, sondern als Gossenkind vom Siel.
»Fürst Demasque und Fürstin Parmati«, sagte ich.
Avrell nickte. »Artren Demasque ist schon immer ein Dorn in Fürst Marchs Seite gewesen. Er möchte mehr Herrschaft über die Handelsrouten zu den südlichen Inseln, mehr Herrschaft über alles. Und Vaiana Parmati will die Herrschaft über Venitte selbst, was ihrer Familie seit Generationen nicht mehr gelungen ist. Einst gebot ihre Familie als Oberhaupt des Rates über Venitte, ein Rang, den nun Fürst March einnimmt. Sie will diesen Titel zurückerobern. Wer ist Euch sonst noch aufgefallen?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Die Fürsten Sorrenti, Boradarn und Dussain – und Fürstin Casari – waren am Ende der Unterredung grau. Der Rest war gemischt.«
»Was bedeutet das?«, wollte Keven wissen.
»Die grau sind, unterstützen Fürst March«, antwortete Avrell, »und stellen keine Bedrohung für Regentin Varis dar. Bei den anderen kann man es nicht sagen. Je nachdem, was geschieht, könnten sie eine Bedrohung
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