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Die Kaempferin

Die Kaempferin

Titel: Die Kaempferin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Palmatier
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zu berühren. Vielleicht war sie irgendwie an den Stein gebunden gewesen und war es noch immer, sodass ich sie nach wie vor erreichen könnte.
    Kurz zögerte ich; dann durchtrennte ich die Fäden und ließ sie gehen.
    Aber sie verschwand nicht wie erwartet. Jedenfalls nicht völlig. Irgendetwas blieb gefangen im Stein zurück. Ein Geschmack von ihr, ein Hauch von ihrem Wesen; ein bisschen von dem, was sie gewesen war, was sie gedacht und erfahren hatte. Eine Erinnerung von ihr.
    Eine Zeit lang grübelte ich darüber nach und bemerkte, dass den Stein immer noch ein Bewusstseinsfeld umgab, wenngleich es nur wenige Schritte weit reichte. Ich fragte mich, ob ich denBereich vergrößern könnte, wenn der Stein selbst größer wäre oder wenn mehr Personen an der Erschaffung des Steins mitwirkten …
    Noch immer in Gedanken, versuchte ich, mich aus dem Stein zu ziehen und mich zurück zu meinem Körper zu strecken. Einen Augenblick lang hielt mich das Ziehen des Steins fest, dieser unerklärliche Strudel. Verwirrt verstärkte ich meine Kraft …
    Und es gelang mir, ihm zu entkommen. Keuchend fiel ich in meinen Körper zurück, beugte mich ruckartig vor und schlug mir die Knie am Unterteil des Schreibpults an. Ich stieß einen Fluch aus, spürte, wie mein Herz einmal, zweimal heftig in der Brust pochte … und dann atmete ich scharf aus und lehnte mich vor, um mir die schmerzenden Knie zu massieren.
    Ich senkte den Kopf auf das Schreibpult und nahm mir eine Weile Zeit, um durchzuatmen, während Erschöpfung über mich hinwegspülte. Ich roch den Duft von getrockneten Blumen, von Staub und Stein, den durchdringenden Geruch von Öl aus den Laternen, den Moder alter Bücher und getrockneter Tinte. Aber die Gerüche waren irgendwie schärfer, klarer, unverkennbarer, obwohl ich die Sicht nicht verwendete. Tatsächlich hatte sich alles leicht verändert. Ich spürte den Steinboden unter den Füßen fast wie ein lebendiges Wesen, ebenso das Holz unter meiner Stirn, ein Gefühl, das meine Haut zum Kribbeln brachte. Als wäre irgendwie alles zu einer Erweiterung meines Körpers geworden.
    Der Stein.
    Jäh richtete ich mich auf, stieß mich vom Schreibpult ab und begann, nach dem Stein zu suchen, den Ilya fallen gelassen hatte. Ich hatte gehört, wie er aufgeprallt und klappernd über den Boden gerollt war.
    Ich erspähte ihn nicht auf Anhieb.
    Also tauchte ich in die Sicht. Sofort spürte ich dieselbe Dichte, die mich anzog und mich in die Richtung ihres Herzens zerrte, wenn auch nicht so stark wie zuvor.
    Ich trat zu dem Schrank und den Bücherregalen an einer Wand und kniete mich hin. Ich griff darunter und holte den Stein hervor … zusammen mit einigen Spinnweben und jeder Menge Staub, der sich angesammelt hatte, weil ich den Bediensteten nicht erlaubte, den Arbeitsraum zu putzen.
    »Meister Cerrin!« Einer meiner Diener stürmte mit verängstigten Augen herein. Sein Blick richtete sich zuerst auf den Sitz hinter dem Schreibpult, den er verwaist vorfand. Dann weiteten seine Augen sich noch mehr, und sein Mund klappte erschrocken auf. Als ich mich aufrichtete, taumelte er zurück, bevor er mich erkannte. »Meister Cerrin, geht es Euch gut?«
    Ich winkte ihn zurück. »Ja. Es ist bloß etwas geschehen, womit weder Ilya noch ich gerechnet haben.«
    Händeringend trat er beiseite und wusste eindeutig nicht, was er tun sollte. Ich schenkte ihm keine weitere Beachtung.
    Der Stein fühlte sich warm in meinen Händen an, doch während ich ihn fest umklammerte, spürte ich, wie die Wärme schwand. Auch das seltsame Ziehen ließ nach, als hätte eine Veränderung der Fäden den Strudel in Unruhe gebracht und aufgelöst.
    Und der Stein … Ich hätte schwören können, dass er eine andere Gestalt besessen hatte, als ich ihn Ilya reichte.
    »Cerrin?«
    Ich schaute auf und erblickte Garus, der den Diener mit einer Geste entließ. »Was?«
    »Nichts. Deine Dienerschaft schien mir ein wenig … besorgt.«
    Ich seufzte. »Ich habe eine der Begabten verängstigt. Ilya. Sie ist voll Panik hier rausgerannt.«
    Garus zog eine Augenbraue hoch. »Bedeutet das, du hast Fortschritte erzielt?«
    Ich winkte Garus zu einem Stuhl, nahm selbst hinter dem Schreibpult Platz und legte den Stein vor Garus. Stirnrunzelnd betrachtete er ihn.
    »Was ist das?«
    Ich lächelte. »Meine Fortschritte.«
    So zweifelnd wie zuvor Ilya ergriff Garus den Stein, drehte ihn ein-, zweimal in den Händen und legte ihn zurück. »Das verstehe ich nicht. Sollen wir die Chorl

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