Die Kaempferin
versuchen, es wiedergutzumachen.«
»Wir sind es nicht gewöhnt, die Regentin von Amenkor zu Besuch zu haben«, fügte Sorrenti hinzu. Kurz dachte ich, die Äußerung sei eine versteckte Drohung, doch Sorrentis Lächeln erschien mir echt. »Wie geht es Eurem Gardisten?«
»Gut«, antwortete ich zurückhaltend. »Ich denke, noch diese Woche wird er vollständig genesen sein. Zumindest körperlich.«
»Fein.«
Dabei ließ er es bewenden, und nach einer unangenehmen Pause meinte Fürstin Casari: »Da dies Euer erster Besuch in der Stadt ist, wollten wir Euch die Sehenswürdigkeiten im Hafen zeigen.« Sie deutete auf das Schiff, und die gesamte Gruppe setzte sich in Richtung der wartenden Landungsbrücke in Bewegung.»Wie ich höre, seid Ihr nachts eingetroffen und kurzerhand zu Eurer Unterkunft gescheucht worden.«
»Ja.«
»Dann hattet Ihr noch nicht das Vergnügen, die Stadt vom Wasser aus zu betrachten. Das ist wirklich die beste Aussicht.« Die Fürstin zeigte wieder ihr verhaltenes Lächeln, und plötzlich wurde mir klar, dass sie niemals anders lächelte – steif und förmlich, als wäre Lächeln etwas Unnatürliches für sie.
»Da muss ich leider widersprechen«, warf Sorrenti ein. »Die beste Aussicht hat man von den Felshängen der Insel aus.«
Fürstin Casaris Augen verdüsterten sich, doch sie schwieg.
Als wir an Bord des Schiffes gingen, beugte Avrell sich dicht zu mir und murmelte: »Sorrenti hat ihr nichts von seinem Besuch in der Nacht unserer Ankunft erzählt.«
»Nein. Und sie sind eindeutig nicht befreundet.«
»Im Rat gibt es keine Freundschaften.« Stirnrunzelnd beobachtete Avrell die beiden Ratsmitglieder, die uns zur Seite des Schiffes führten, wo Stühle sowie ein Klapptisch mit einer breiten, großbauchigen Schiffskaraffe, Gläsern und einem Tablett voll Brot, Käse und Trauben aufgestellt worden waren. »Das dient alles zur Täuschung«, fügte Avrell hinzu und schaute über den Kai hinaus. »Für etwaige Beobachter.«
Auch ich ließ den Blick über die Docks schweifen und wusste, dass uns irgendwo dort draußen einer der Sucher – vielleicht Tomus – beobachtete. Aber wer immer er sein mochte, es würde ihm nicht gelingen, Sorrenti in den Hafen hinaus zu folgen …
Und genau darum ging es, erkannte ich plötzlich. Niemand würde uns folgen können. Niemand außer den Gardisten und der Besatzung würde uns lauschen können. Dieses Treffen sollte so vertraulich und sicher wie möglich sein.
Ein Teil meiner Anspannung legte sich.
Weder Fürstin Casari noch Fürst Sorrenti nahmen auf den Stühlen Platz. Stattdessen gingen sie zur Reling. Die Gardisten blieben zurück. Keven und die Gardisten aus Amenkor taten esihnen gleich und ließen Avrell und mich zu den Ratsmitgliedern treten. Rings um uns machte die Besatzung sich daran, das Segel zu setzen und die Vertäuung des Schiffes zu lösen. Das Segeltuch bauschte sich flatternd in der Brise. Das Schiff setzte sich in Bewegung, entfernte sich vom Dock und gesellte sich zu den Dutzenden anderen – großen und kleinen – Schiffen, die bereits auf dem Wasser trieben.
»Wie wird verhindert, dass die Schiffe zusammenstoßen?«, fragte ich, als ich ein Handelsschiff beobachtete, das auf ein kleineres Skiff zusteuerte. Ich war sicher, dass die beiden gegeneinanderprallen würden, doch das Skiff wich dem Handelsschiff im letzten Moment aus.
»Manchmal stoßen sie zusammen«, sagte Sorrenti, »aber der Hafenmeister hat besondere Fahrbahnen festgelegt. Ansonsten gilt das Recht des Stärkeren.«
Während der Kapitän von Fürstin Casaris Schiff durch den verstopften Bereich in der Nähe der Docks steuerte, läuteten von allen Seiten Glocken, und von Schiff zu Schiff wurde gebrüllt. Fürstin Casari zeigte auf die Stadt, als wären wir tatsächlich auf einer Rundfahrt.
»Natürlich kann man von hier aus die Kuppel der Ratskammern sehen«, erklärte sie. »Die Kammern sind von jeder Stelle der Stadt oder des Hafens aus erkennbar. Das lange, rechteckige Gebäude mit den Säulen entlang der Vorderseite ist die Schule, wo Fürst Sorrenti und die anderen Begabten ihre Künste verfeinern. Das Bauwerk auf der anderen Seite der Kammern ist die offizielle Händlergilde. Hinter den Kammern – von hier aus sieht man nur das flache Giebeldach – befindet sich Fürst Marchs Anwesen, zu dem auch ein angrenzendes Gebäude für die Verwendung durch das Protektorat gehört. Es besteht hauptsächlich aus Truppenunterkünften und einem Übungshof. Und
Weitere Kostenlose Bücher