Die Kaempferin
dort ist Deranians Wall.« Ihr Arm folgte der wellenförmigen Linie der Mauer, welche die Oberstadt von der Unterstadt trennte und eine klare Abgrenzung des Ranges bildete.
»Der Wall war die erste Verteidigungslinie, als die Chorl vor fast tausendfünfhundert Jahren die Stadt angriffen«, fügte Sorrenti hinzu.
»Ich weiß«, sagte ich und sah Sorrenti dabei an. »Ich war … sozusagen dabei.«
Er nickte verstehend. »Ohne die Mauer hätte Venitte den Angriff nicht überlebt. Der Überfall kam so unerwartet – ohne Vorwarnung, ohne den geringsten Hinweis darauf, dass es die Chorl überhaupt gab –, dass der Kai, die Unterstadt, das Händlerviertel, praktisch alles zwischen dem Wasser und dem Wall, binnen weniger Stunden fiel. So lange brauchte Fürst Wence – der herrschende Fürst zu jener Zeit, natürlich unter den Sieben –, um die Armee zu einer Verteidigungsstreitmacht zu ordnen und die Tore des Walls schließen zu lassen. Zu dem Zeitpunkt befanden sich nur drei der Sieben innerhalb des Walls. Der Rest hielt sich draußen in der Stadt oder irgendwo an der Küste auf. Die Mauer ist unsere wichtigste Verteidigungsanlage. Manche meinen, wenn sie fällt, wird Venitte mit ihr untergehen.«
»Es ist eine Mauer«, meinte ich und dachte an die drei Mauern, die Amenkors Innenstadt und Palast umgaben, und an die zusätzliche Mauer, mit deren Bau die vier neuen Händler begonnen hatten. »Beim Angriff auf Amenkor sind alle unsere Mauern gefallen, und wir haben trotzdem überlebt.«
»Aber zu welchem Preis?«, warf Casari verbittert und ein wenig herablassend ein.
»Zu dem Preis, der bezahlt werden musste«, gab ich in schroffem Tonfall zurück.
»Aber diesmal«, mischte Avrell sich beschwichtigend ein, »seid Ihr vorgewarnt. Was haben Fürst March und der Rat bisher an Vorbereitungen getroffen?«
Sorrenti antwortete: »Seit dem Treffen, bei dem Fürst March die letzten Zweifel über die Bedrohung durch die Chorl für ausgeräumt erklärt hat, haben er und General Daeriun sowohl das Protektorat als auch die allgemeine Garde in Bewegunggesetzt. Die Streitmacht auf dem Wall wurde verdoppelt. Ein beträchtlicher Teil der Armee wurde in die Gefilde nördlich der Stadt beordert. Außerdem gibt es Vorposten, die mittlerweile mit Pferden für Boten ausgestattet wurden, damit wir über ein Herannahen der Chorl vorgewarnt werden können. Und sämtliche Türme auf der Insel entlang der beiden Kanäle und der Küste wurden bemannt.«
»Und die Begabten? Das Protektorat und die allgemeine Armee stellen eine Verteidigung gegen die Chorl-Krieger dar, aber nicht gegen die Begabten der Chorl oder deren Priester, wenngleich wir bisher noch nicht erlebt haben, dass die Priester unmittelbar ins Kampfgeschehen eingreifen.«
Sorrenti verzog das Gesicht. »Die allgemeinen Streitkräfte sind zu weit verstreut, als dass die Begabten sie vollständig abdecken könnten. Einige der Begabten Venittes wurden zusammen mit den Hauptkontingenten nach Norden entsandt. Die meisten sind hier in der Stadt geblieben, entweder auf dem Wall oder bei einer der im Umkreis angeordneten Einheiten. Dennoch wird es schwierig sein, Venitte zu beschützen.«
»Warum?«
»Weil die Stadt sich über die Grenzen der Mauern hinaus ausgebreitet hat. Lange Zeit gab es keine ernst zu nehmenden Bedrohungen aus den umliegenden Gebieten. Es war nicht notwendig, innerhalb der Mauern und deren Schutz zu bleiben.«
Catrell und Darryn hatten dasselbe über Amenkor gesagt.
Fürstin Casari warf ein: »Fürst March hat uns aufgefordert, Euch formell um den Einsatz Eurer Gardisten zu ersuchen.«
Ich nickte. »Sobald wir zurückkehren, sorge ich dafür, dass Hauptmann Catrell sich bei General Daeriun meldet.«
»General Daeriun möchte unbedingt mit ihm sprechen«, sagte Sorrenti. »Eure Streitkräfte haben bereits gegen die Chorl gekämpft. Er möchte wissen, welche Erfahrungen Euer Hauptmann dabei gesammelt hat – darüber, wie die Chorl kämpfen und wie man sich am besten gegen sie verteidigen kann.«
»Sie werden ohne Vorwarnung angreifen«, meinte ich mit düsterer Stimme, in der die Gefühle mitschwangen, die ich empfunden hatte, als ich auf dem Turm in Amenkor stand und beobachtete, wie die Wachtürme zerstört wurden und die Schiffe der Chorl in den Hafen strömten, um ihr Werk der Zerstörung in der Stadt zu beginnen. »Und mit Gewalt. Sie werden alles vernichten, was sich ihnen in den Weg stellt, bis sie ihr Ziel erreichen.«
»Und was ist ihr Ziel hier in
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