Die Kaempferin
Wirbel der Macht gelockt hatte.
Doch stattdessen sagte ich: »Ich habe ein paar harmlose Fragen gestellt und Avrell und William Erkundigungen bei ihren Bekannten hier in der Stadt einholen lassen. Fürst Sorrenti hat die Stadt in den letzten fünfundzwanzig Jahren nicht verlassen.«
Wir wechselten einen bedeutungsschweren Blick.
»Was Fürst Demasque und Fürstin Parmati angeht«, fuhr ich fort und winkte Westen zu der Treppe, die zu den oberenBereichen des Hauses führte, »beobachten die Sucher vielleicht nicht die richtigen Leute. Lasst beim nächsten Mal diejenigen verfolgen, mit denen sie sich treffen – ob Händler, Schreiber, Freudenmädchen, ganz egal.«
Westen nickte. »Da ist noch etwas.«
»Und was?«
»Die Kunde von den Chorl breitet sich in der Stadt aus. Wegen der Angriffe auf die Schiffe hat es am Kai begonnen, aber mittlerweile haben die Gerüchte den Weg bis in die Elendsviertel gefunden. Man redet von dem Überfall auf Tristans Schiffe, von der Ankunft unserer Truppen, von Euch. Und ist Euch der plötzliche Anstieg der Zahl der Protektoren und der gewöhnlichen Gardisten überall in der Stadt aufgefallen?«
Ich nickte und dachte an die Übungen mit Ottul und den anderen Begabten vor ein paar Tagen, an die Phalanx von Gardisten, die durch das Händlerviertel nach Norden marschiert war. »Ich habe es bemerkt.«
»Die Spannung innerhalb der Stadt ist erheblich gestiegen. Und die Angst.«
Ich hörte die Frage heraus, die Westen nicht ausgesprochen hatte. »Ich habe seit jener ersten Begegnung weder von Fürst March noch von einem sonstigen Ratsmitglied etwas gehört«, sagte ich. »Ich weiß nicht, was sie vorhaben oder ob wir ein Teil des Plans sind.«
Westen erwiderte nichts.
Als wir zum Kopf der Treppe in den Hauptteil des Hauses gelangten, erwartete uns der Verwalter, Alonse, mit düsterer Miene. Er und alle anderen Bediensteten waren uns zusammen mit dem Haus zur Verfügung gestellt worden, und ich hatte ihnen verboten, den Bereich der unteren Räumlichkeiten zu betreten, den ich Westen und den Suchern überlassen hatte.
»Regentin«, sagte Alonse. »Ihr habt ein Gesuch erhalten. Fürstin Casari lädt Euch ein, sich ihr bei einer Bootsfahrt durch den Hafen anzuschließen, falls Ihr Zeit habt.«
»Was will sie? Was meint Ihr?«, fragte ich, als die Kutsche, für die Alonse gesorgt hatte, auf dem Weg hinunter zu den Docks über eine unebene Stelle der Straße holperte.
Avrell streckte die Hand aus, um sich abzustützen, und verzog das Gesicht. Er trug die formellen Gewänder des Oberhofmarschalls, dunkelblau mit einem achtstrahligen Sonnenscheinsymbol um den Kragen. »Ich habe keine Ahnung. Aber der Umstand, dass sie um ein Treffen ersucht, obwohl wir die vergangene Woche weder von Fürst March noch von einem der anderen Ratsmitglieder etwas gehört haben, ist ermutigend. Insbesondere, da Ihr sagt, sie unterstützt Fürst March.«
Ich dachte zurück an die Begegnung mit dem Rat der Acht. Fürstin Casari war klein gewesen, kaum größer als ich. Ihre Haut war etwas dunkler, fast olivfarben. Auch ihre Augen waren dunkel, und ihr Lächeln hatte verbittert gewirkt. Sie hatte Weiß getragen, gesäumt mit Grau und ein paar überraschenden Flecken Gelb. Ihr Banner war ein Reiher im Flug gewesen.
»Sie hat bei dieser ersten Begegnung nicht viel gesprochen.«
Avrell schnaubte. »Das hat keines der Ratsmitglieder. Sie wussten nicht, was sie erwarten sollten, weder von Euch noch von Fürst March. Und sie hatten ihre eigenen Schwierigkeiten.«
»Zum Beispiel?«
Avrell verlagerte unbehaglich das Gewicht, doch als ich Luft holte, um ihn zu bedrängen, seufzte er und sagte: »Sie haben ebenfalls einen rauen Winter durchlitten. Nicht so schlimm wie Amenkor, zumal sie der wichtigste Hafen an der Küste sind und über beträchtliche Mengen Ackerland verfügen – Olivenhaine, Weizenfelder und Weingärten bedecken die Hügel rings um die Stadt. Aber der Mangel an Waren war spürbar.«
Ich schaute zum Fenster der Kutsche und hinaus auf die großen Gebäude, die im Sonnenschein lagen. »Es sieht aber nicht danach aus.«
»Das liegt daran, dass wir uns bisher nur im Händlerviertel aufgehalten haben.« Avrell zögerte; dann verzog er das Gesicht. »In diesem Teil der Stadt hat man die Härte des Winters nicht gespürt. In Venittes Gegenstück zu Amenkors Siel hingegen sehr wohl.«
Ich wandte mich vom Fenster ab. Avrell begegnete meinem Blick, ohne mit der Wimper zu zucken. »Soll das heißen, sie
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