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Die Kaempferin

Die Kaempferin

Titel: Die Kaempferin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Palmatier
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Wink, und beide verschwanden.
    Erick kam näher. »Was ist mit den anderen?«
    »Gib William, Marielle und Brandan Bescheid, sobald sich die Gelegenheit bietet. Aber nicht den anderen.«
    »Ottul nicht?«
    Ich beobachtete die Chorl-Begabte einen Augenblick, als Gwenn sie zwang, die blauweiße Maske aufzusetzen, die Brandan mir angeboten hatte. Zuerst widersetzte sie sich, dann gab sie nach. Als die Maske sich über ihr Gesicht senkte, lächelte sie zurückhaltend. Ich konnte mich nicht erinnern, Ottul jemals lächeln gesehen zu haben. Es ließ sie sanfter erscheinen.
    Schließlich antwortete ich auf Ericks Frage: »Doch. Ich vertraue ihr.«
    Dreißig Minuten später befanden wir uns alle auf dem Hof. Die Sonne brannte herab. Auf den Straßen herrschte der Lärm von zahllosen Feiernden, von Hörnern und Pfeifen und rasselnden Schellentrommeln. Die johlenden Menschenmassen, ein unvorstellbares Farbengewirr, strömten hügelaufwärts zum »Steingarten« genannten Marktplatz. Es war ein unbeschreibliches Gewühl.
    Ich beobachtete, wie das Tor geöffnet wurde und sich ein Kontingent der Gardisten Amenkors einen Weg in die Menschenmenge erkämpfte. Die vorwiegend braunen Uniformen nahmen sich inmitten der fröhlich bunten Kostüme wie hässliche Flecken aus. Westen schaute den Gardisten nach, während bereits die nächste Gruppe zusammengestellt wurde; dann erblickte er mich und kam zu mir.
    »Ich habe eine Gruppe hinunter zu den Docks geschickt, um Bullick zu warnen«, berichtete er, »aber bei dem Gewühl heute wird es ewig dauern, bis irgendjemand sein Ziel erreicht.«
    »Und was ist mit Euch?«
    »Ich bleibe bei Euch.«
    Ich wollte ihm widersprechen, überlegte es mir dann aber anders, als ich seinen Gesichtsausdruck bemerkte, den ich schon unzählige Male während der unerbittlichen Übungen mit ihm gesehen hatte, sowohl in Amenkor als auch hier in Venitte.
    Er würde nicht nachgeben.
    »Wo ist Catrell?«, fragte ich stattdessen.
    »Er ist mit der ersten Gruppe aufgebrochen. Er glaubt zu wissen, wo Daeriun steckt. Der General hat das Protektorat in großen Gruppen über die Stadt verteilt, aber da die Chorl-Streitmacht von Norden heranmarschiert, wird er sich wahrscheinlich im nördlichen Teil der Stadt aufhalten. Dort hat er auch den Großteil der Verteidiger zusammengezogen.«
    Ich nickte. »Dann lasst uns gehen.«
    Erick rief einen Befehl, woraufhin sich eine Gruppe der Gardisten Amenkors um uns formierte und uns abschirmte. Westen, Erick und Avrell traten dicht an meine Seite. Wir alle trugen keine Masken. Die anderen bildeten die Nachhut. In ihren Verkleidungen sahen sie aus, als gehörten sie nicht zu uns.
    Das Tor wurde erneut geöffnet, und wir verschmolzen mit der Menge.
    Jeder Instinkt, den ich mir am Siel angeeignet und verfeinert hatte, sprach augenblicklich an. Ich glitt in den Fluss, als die gesamte Gruppe von der Menge verschluckt wurde und darin versank. Ericks sorgsame Anordnung der Gardisten wurde zunichte gemacht, als die Männer gerempelt und beiseitegestoßen wurden. Im Fluss hörte ich Erick fluchen und den Gardisten befehlen, ihre Plätze wieder einzunehmen. Durchdringend nahm ich den Geruch von Orangen wahr. Doch es war nutzlos. Der Strom der Menschenmassen war übermächtig.
    Und so verschmolz ich mit den Wirbeln und Strudeln rings um mich und nutzte den Fluss, um bald jemanden mit einer Sonnenmaske in eine Richtung zu schubsen, bald eine Gruppe betrunkener, wie Hunde verkleideter Männer in die andere zudrängen. Ich sank tiefer, richtete meine Aufmerksamkeit auf die Straße vor mir und hinter mir und begann, die Gardisten, die sich bereits zerstreuten und von der Gruppe getrennt wurden, wieder zusammenzuziehen.
    Bald darauf spürte ich, wie jemand in den Fluss tauchte – Marielle –, gefolgt von einer weiteren Präsenz.
    Ottul.
    Ich warf einen raschen Blick zurück.
    Die Gestalt mit der blauweißen Maske drehte sich mir zu und nickte flüchtig; dann heftete sie die Aufmerksamkeit wieder auf die Menge.
    Ich schauderte. Mir missfielen die Masken, die Dichte des Flusses, die Zähflüssigkeit der Menschenmassen.
    Unendlich langsam bewegten wir uns in Richtung des Steingartens.
    Ich fügte mich wieder in die Strömungen und arbeitete nun mit Marielle und Ottul zusammen, um uns rascher voranzubringen und uns alle zusammenzuhalten, während ich gleichzeitig auf Anzeichen der Chorl achtete. Erick erteilte weiter Befehle und fluchte gelegentlich leise. So bahnten wir uns den Weg durch die Straßen.

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