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Die Kaempferin

Die Kaempferin

Titel: Die Kaempferin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Palmatier
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Brandan half ab und zu mit Richtungsanweisungen und deutete auf einen Weg oder eine Nebenstraße. Die Menschenmassen wurden anfangs noch dichter und lösten sich dann ein klein wenig auf, als die Straßen breiter wurden. Dann nahm das Gedränge erneut zu, als alle auf den Marktplatz in der Mitte der Stadt strömten. Ein Mann blies in ein Horn. Eine Frau kreischte vor ausgelassenem Gelächter. Ein anderer Mann, gekleidet wie ein Ibis mit schmalem Schnabel und flügelförmig an den Armen befestigten Federn, überragte die Massen auf langen, dünnen Stelzen.
    Und immer noch kein Anzeichen von den Chorl. Oder vom Protektorat, von den Gardisten oder den Ratsmitgliedern.
    Wir waren noch drei Querstraßen vom Steingarten entfernt, als das Weiße Feuer in meinem Inneren plötzlich zum Lebenerwachte. Vor mir konnte ich die erste der hundert Steinstatuen ausmachen, denen der Platz seinen Namen verdankte – einen riesigen Falken, der die Schwingen hoch und weit über der Menschenmenge spreizte, die Klauen gezückt, als wollte er seine Beute schnappen. Dahinter erspähte ich einige der anderen Statuen: den erhobenen, in Flammen gehüllten Kopf eines Phönix, die glatte Krümmung eines Delfins mitten im Sprung …
    Plötzlich loderte das Feuer in mir warnend auf.
    Ohne nachzudenken, zog ich rings um mich einen Schild hoch, so schnell, dass es sich anfühlte, als hätte ich ihn aus dem Gefüge des Flusses selbst gerissen. Er hatte sich kaum gebildet …
    Da prallte etwas heftig gegen meine Brust, ein Schlag, den der Schild zwar dämpfte, dessen Wucht mich aber trotzdem gegen Erick zurückstieß, der dumpf stöhnte, als er mein Gewicht auffing. Meine Sicht verschwamm. Mein Halt im Fluss erzitterte und begann sich zu lösen. Das Atmen fiel mir schwer.
    Alles um mich flimmerte. Ich hörte Erick einen Befehl brüllen und spürte, wie etwas mein Hemd auf der Brust benetzte. Und immer noch konnte ich nicht atmen. Schatten verhüllten den strahlenden Sonnenschein vor mir, und die Gesichter, die sich plötzlich über mich beugten, wurden zu verwaschenen Schemen, die ich nicht mehr erkennen konnte. Der blaue Himmel über mir loderte mit einem Mal grell auf und wurde dann von blendendem Weiß verschlungen. Ich spürte, wie ich in dieses Weiß hineinfiel, wie ich davon verzehrt wurde …
    Und dann zerriss etwas in meinem Leib, begleitet von einem sengenden Schmerz, der mir den Brustkorb zu sprengen schien.
    Ich krümmte den Rücken durch und hörte jemanden – Gwenn? – kreischen, rollte mich zur Seite und übergab mich auf das Steinpflaster der Straße, hustete, würgte und röchelte gleichzeitig.
    »Zurück!«, brüllte Erick. Ich hörte, wie ein Schwert gezogenwurde und weitere Schreie ertönten, diesmal aus der Menschenmenge.
    Die anderen Gardisten Amenkors folgten Ericks Beispiel und zogen ebenfalls die Waffen.
    Das Geschrei der Leute ringsum wurde ohrenbetäubend.
    »Varis! Varis, was ist mit dir?«
    Das Würgen endete. Noch immer hustend, rollte ich mich auf den Rücken und blinzelte hinauf ins Sonnenlicht, in den blauen Himmel und in Williams entsetztes Gesicht. Rechts hinter ihm sah ich Avrell, links Marielle und Gwenn. Tränen liefen über Gwenns Wangen; sie schluchzte und streckte die Hände nach mir aus, scheute jedoch davor, mich zu berühren. Brandan trat mit verstörter Miene neben Avrell. Alle hatten die Masken abgenommen.
    Alle außer Ottul.
    Auch ihre ausdruckslose, blauweiße Maske starrte auf mich hinunter, über allen anderen.
    »Verflucht, sie blutet«, sagte William.
    Ich blickte an mir hinunter. Allein schon diese Bewegung ließ Schmerzen in meiner Brust auflodern. Auf meinem Hemd sah ich Blut. Und etwas anderes.
    Ich griff hinunter und zog einen gesplitterten Holzschaft von der Länge meiner Hand aus einem Riss in meinem Hemd. Er verhedderte sich im Stoff, doch mit einem Ruck löste ich ihn.
    Am Ende des Holzschafts befanden sich graue Federn.
    Ein Pfeil.
    Mir stockte der Atem.
    Jemand hatte versucht, mich zu töten. Mich zu meucheln .
    Wut erfüllte mich, und ich begann zu würgen.
    William nahm mir die Reste des Pfeils aus der Hand und reichte sie Westen.
    Der Sucher warf einen Blick darauf und erstarrte. Einen Augenblick stand er still da; dann drehte er sich um und ließ den Blick über die Menschenmenge schweifen.
    Seine Augen hefteten sich auf jemanden. Seine Züge verfinsterten sich … ehe sie völlig ruhig wurden.
    Dann war er verschwunden.
    William zog weitere Splitter aus meinem Hemd, wobei seine Hände

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