Die Kaempferin
Auf Sorrentis Gesicht spiegelte sich unsägliches Grauen.
Als wir den Bereich betraten, schaute er auf und fragte mich mit erstickter Stimme: »Könnt Ihr der Fürstin helfen?«
Ich trat vor und kniete mich neben sie. Brandan folgte mir und stellte sich neben Fürst Sorrentis Schulter.
Ein Pfeil ragte aus Fürstin Casaris Brust, das Ende mit grauen Federn bewehrt. Blut hatte ihr gelbes Kleid getränkt, ein zähflüssiges Rot, so dunkel, dass es beinahe schwarz wirkte. Es sammelte sich auf den grauen Pflastersteinen unter ihr zu einer Lache, die sich nach allen Seiten ausbreitete. Auch ihr Gesicht war voller Blut.
Ich tauschte einen Blick mit Sorrenti, dem er nicht lange begegnen konnte. Rau sog er die Luft ein und wandte sich ab.
»Regentin …« Fürstin Casaris Stimme war kaum mehr als ein Atemhauch. Blindlings tastete ihre Hand umher. Ich ergriff sie und spürte die Kälte, die sich bereits darin eingenistet hatte.
»Fürstin Casari.«
Ihr Kopf drehte sich in meine Richtung, doch ihre Augen starrten blicklos ins Leere.
Als sie meine Berührung spürte, beruhigte sich ihre Atmung schlagartig.
»Ich … hätte Euch … vertrauen sollen … Euch … unterstützen sollen … im Rat.« Die Worte kamen mühsam und qualvoll, und sie verzog das Gesicht vor Anstrengung. Tränen liefen ihr übers Gesicht, und sie begann zu röcheln. »Es … es tut mir leid.«
Dann erschlaffte ihr Körper. Ihre Brust sank herab und hob sich nicht mehr; ihr Kopf kippte zur Seite.
Einen Augenblick hielt ich ihre Hand noch fest, dann legte ich sie ihr behutsam auf die Brust.
Sorrenti erstarrte. Kurz glaubte ich, er würde in Tränen ausbrechen, doch als er aufschaute, sprach aus seinen Augen kein Schmerz, sondern blanke Wut.
Ein paar Atemzüge lang sahen wir uns an; dann wanderte sein Blick zu den Rissen in meinem Hemd und zu den Blutflecken hinunter.
»Bei Euch haben sie es also auch versucht?«, fragte er.
Zum ersten Mal fiel mir der Blutfleck am Ärmel seines Hemds und das unebenmäßige Loch auf, das dort in den Stoff gerissen war.
Sorrenti bemerkte meinen Blick, und seine Miene verfinsterte sich. »Sie haben mich verfehlt. Das Blut ist von Elina.«
»Ich wurde durch das Feuer vorgewarnt«, sagte ich.
Er nickte.
»Was ist geschehen?«, fragte ich. Als erneut Schreie ertönten, diesmal aus einer anderen Richtung, fügte ich hinzu: »Und was geschieht gerade?«
»Jemand …«
»Die Chorl«, schnitt Brandan ihm das Wort ab. Sorrenti schaute betroffen zu ihm auf.
»Sie sind hier«, stieß ich hervor. »Auf dem Marktplatz, mitMasken. Sie hatten Parmatis Anwesen bereits verlassen, als meine Sucher dort erschienen. Ich habe eine Warnung zu Daeriun geschickt, zum Protektorat, bin aber nicht sicher, ob die Nachricht rechtzeitig empfangen wurde.«
Sorrenti ließ sich die Neuigkeit kurz durch den Kopf gehen. »Offenbar versuchen die Chorl, alle Ratsmitglieder auszuschalten – zumindest diejenigen, die sich nicht mit ihnen verbündet haben.« Er blickte auf Fürstin Casaris Leichnam, verlagerte sein Gewicht und bettete ihren Kopf behutsam auf den Boden. »Und bei einigen ist es ihnen gelungen.«
»Das ist noch nicht alles«, meldete Erick sich zu Wort.
Sorrenti und ich schauten zu ihm auf. Erick nickte in Richtung Norden. »Seht.«
Wir standen auf und wandten uns nach Norden, wo der Platz einen weiten Blick auf die fernen Handelsstraßen bot. Auf der nördlichen Straße bewegte sich ein schier endloser Zug von Männern in Rüstungen von der Kuppe des Hügels in die Stadt hinunter. Blauhäutige Männer. An der Spitze der Armee flatterten die Banner der Chorl.
Dann spürte ich, wie sich in einiger Entfernung, bei den mächtigen Toren in Deranians Wall, Macht ballte. Ich hörte, wie Sorrenti und Brandan nach Luft schnappten. Der Fürst trat einen Schritt vor …
Und die Tore explodierten.
F ÜNFZEHNTES K APITEL
I hr Götter, beschützt uns!«
Ich schaute zum Protektor Venittes am Rand der Menge, der den flehentlichen Ruf ausgestoßen hatte, und bemerkte, dass alle Protektoren rings um Sorrenti, Brandan und Fürstin Casaris Leichnam vor Schreck erstarrt waren. Sogar die Menschenmassen waren verstummt. Alle Blicke hatten sich auf Deranians Wall gerichtet, auf die Holz- und Steintrümmer, die durch die Luft flogen, auf den Staub, der wie eine schmutzig weiße Wolke aufstieg und vom Wind nach Nordosten geweht wurde.
Die Einzigen, die sich von der Explosion unbeeindruckt zeigten, waren die Gardisten aus Amenkor.
Eine zweite
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