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Die Kaempferin

Die Kaempferin

Titel: Die Kaempferin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Palmatier
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Mit einer Hand griff er sich an die Brust, und seine Finger krallten sich über dem Herzen in seinen Körper. Die andere Hand streckte er nach mir aus.
    »Der Thron«, stieß er keuchend hervor, mit benommenem, verwirrtem Blick.
    Dann brach er zusammen wie vom Blitz getroffen. Jede Lebendigkeit in ihm, jede Anspannung seiner Muskeln verpuffte. Sein Körper prallte auf den körnigen, geschwärzten Steinboden der Gosse. Seine Schwertscheide schabte über Granit, seine Arme klatschten an den Seiten herab.
    Ein Augenblick der Stille folgte.
    Dann schrien seine Gardisten auf, und der Befehlshaber stürzte vor und kniete sich fluchend neben Sorrenti.
    Brandan und ich hatten uns schneller bewegt. Brandan kauerte bereits auf einer Seite neben seinem Meister, ich auf der anderen, wo ich Sorrentis Kinn ergriff und seinen Kopf herumdrehte, damit ich ihm in die Augen schauen konnte.
    Sie standen weit offen und starrten blicklos ins Leere.
    »Was ist geschehen?«, fragte Brandan.
    »Er atmet kaum noch!«, rief Sorrentis Befehlshaber aus.
    Ich warf einen Blick zu Erick, als ich mich auf die Fersen hockte, und sah Verwirrung in seinen Augen. Er war nicht im Thronsaal gewesen, als die Ochea gekommen war, hatte die Ereignisse dort nicht miterlebt und nicht gesehen, wie ich selbstzusammengebrochen war, als die Ochea den Geisterthron berührt hatte.
    »Die Chorl haben den Steinthron erreicht«, erklärte ich, und sogar mir fiel die Kälte in meiner Stimme auf.
    Ericks Züge verhärteten sich, und der Sucher in ihm drängte sich in den Vordergrund. Auch er hatte sich hingekniet; nun richtete er sich auf. »Dann haben wir keine andere Wahl. Wir müssen das Wagnis eingehen.«
    Frischer Zorn ergoss sich in den Fluss. »Das tue ich nicht. Wir können ihm nicht vertrauen. Auch nicht seinen Männern.«
    »Wir haben keine andere Wahl!«, entgegnete Erick, plötzlich wieder der Lehrmeister, der mich am Siel ausgebildet hatte. Sein knapper, entschiedener Tonfall verriet, dass er keinen Widerspruch duldete.
    Ich spürte, wie sich dennoch Widerstand in mir regte.
    Dann meldete Sorrentis Befehlshaber sich zu Wort.
    »Meint Ihr diese Männer?«, fragte er mit angespannter, vor Geringschätzigkeit strotzender Stimme. »Das sind bloß Söldner! Sie haben uns noch nicht mal einen Preis genannt.«
    Ich starrte ihn an und sah, wie er zurückzuckte. »Oh doch, das haben sie«, spie ich hervor und wandte mich Brandan zu. »Einen saftigen Preis sogar.« Mein Blick schnellte zu Baill. »Sie verlangen meine Vergebung.«
    Und ich wollte nicht nachgeben. Obwohl mir jeder Wirbel des Flusses verriet, dass Baill es ehrlich meinte, wollte ich nicht nachgeben, weil er mich verraten und verletzt hatte. Ich wollte nichts mehr mit Baill zu tun haben.
    Baill hatte sich ebenso wenig gerührt wie seine Männer – seine Bande. Schweigend beobachteten sie mich, doch ich spürte im Fluss ihre Hoffnung und ihre Furcht, ich könnte sie abweisen.
    Sie wollten Erlösung.
    Ich richtete mich auf und spürte, wie Avrell zu mir trat. Seine Gegenwart fühlte sich wie eine Mauer hinter mir an.
    »Regentin«, setzte er an, zögerte kurz und fuhr mit sanfterer Stimme fort: »Varis, denkt an den Thron, an die Küste, an die Chorl.«
    Verwundert drehte ich mich zu ihm um. Ich hatte gedacht, er würde mir sagen, was ich zu tun hätte. Stattdessen nickte er nur. »Es ist Eure Entscheidung.«
    Damit trat er zurück.
    Ich sah Baill und seine Männer an und spürte Brandan, der noch immer an der Seite Fürst Sorrentis kniete. In der Ferne hörte ich den widerhallenden Knall einer Explosion, ob aus dem Hafen oder den nördlichen Vierteln, vermochte ich nicht zu sagen. Es spielte keine Rolle.
    Ich setzte mich in Bewegung und blieb einen halben Schritt vor Baill stehen. Seine beiden Begleiter links und rechts traten unruhig von einem Bein aufs andere. Baill selbst hingegen verzog keine Miene, starrte nur auf mich hinunter.
    Und dann, bevor ich etwas sagen konnte, kniete er nieder.
    Begleitet vom Knirschen und Schaben der Rüstungen und dem Rascheln von Kleidung tat es ihm jeder seiner Bande gleich. Die meisten schlugen dabei das Zeichen des Geisterthrones vor der Brust; andere murmelten Gebete, jedoch zu leise, als dass ich sie verstehen konnte.
    Ich starrte über einhundert gekrümmte Rücken und gesenkte Köpfe hinweg, während das schwarze und rote Banner im Wind flatterte.
    Dann sagte ich: »Wir haben keine Zeit dafür. Erick! Arbeite mit Baill zusammen, um die Männer zu ordnen. Ihr da!«

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