Die Kaempferin
meinen Arm sich verstärkte, als ich hervorstieß: »Ihr dachtet, Ihr könnt Alendor die Stadtin die Hände spielen und würdet durch ihn die Herrschaft über den Palast erlangen, wenn er die Macht ergriffe – was er mit der Genossenschaft versucht hat.«
Baill versteifte sich, straffte trotzig den Rücken und die Schultern …
Dann jedoch seufzte er und stieß den angehaltenen Atem aus. »Ja.«
Das Geständnis entschärfte meine Wut. Erick musste es gespürt haben, denn sein Griff lockerte sich. Aber er ließ nicht los. Dafür kannte er mich zu gut.
»Seit ich herausgefunden habe, was Alendor getan hat, jage ich die Chorl«, sagte Baill mit hasserfüllter Stimme. »Ich habe so viele Männer um mich geschart, wie ich konnte – auch die Gardisten, die mir geholfen hatten, die Lebensmittel aus den Lagerhäusern zu stehlen, und die deshalb gezwungen waren, mit mir zu kommen, als ich geflohen bin. Dazu einige von Alendors Männern, seinen Söldnern. Ich habe sie eingesetzt, um die Chorl in Temall zu bekämpfen. Und später, als ihre Armeen südwärts marschierten, habe ich die Chorl die Küste entlang bis hierher nach Venitte verfolgt. Ich habe sie im Namen des Geisterthrones gejagt, im Namen der Regentin. Im Namen Amenkors.«
Niemand sagte etwas. Die Strömungen und Wirbel zeugten noch immer vom Zorn der Umstehenden. Allerdings hatten sich nun leise Zweifel eingeschlichen. Denn Baills Worte hörten sich an wie die Wahrheit. Es war eine Wahrheit, die ich auch im Fluss spüren konnte. Ich hatte Baill nie unmittelbar mit den Chorl zusammenarbeiten gesehen. Nur mit Alendor. Dafür hatte ich gesehen, wie er in Temall gegen die Chorl gekämpft hatte. Durch Westens Augen hatte ich beobachtet, wie Baill dabei half, den Angriff der Chorl auf die Mauern abzuwehren, wobei er das Banner des Geisterthrones als Zeichen schwang …
Bevor ich etwas sagen konnte, brach Sorrenti das Schweigen. »Ihr bietet Eure Hilfe an, und das ist ehrenvoll, aber drei Männer mehr oder weniger ändern nichts an der Lage.«
Baill lächelte. Er gab dem Mann zu seiner Linken, demjenigen, der nicht das Banner des Geisterthrones hielt, ein Zeichen, woraufhin dieser einen schrillen Pfiff ausstieß.
Aus den Gassen und Häuserschluchten hinter ihnen, aus den leeren Fenstern und klaffenden Türöffnungen traten Männer. Nicht die Bewohner des Elendsviertels, für die ich die Beobachter gehalten hatte, die ich im Fluss spüren konnte, sondern Männer in Rüstungen. Behelfsmäßigen Rüstungen, so verbeult, verschrammt und schmutzig wie jene Baills. Männer mit grauen Bärten, die Haare zusammengebunden oder geflochten, die Augen scharf und abwägend. Sie formierten sich hinter Baill und seinen beiden Begleitern zu geordneten Rängen. Niemand sprach. Nur das Klirren von Rüstungen und Schwertern und die Schritte schwerer Stiefel auf den Steinplatten waren in der Stille zu vernehmen. Über einhundert Mann lösten sich aus den Schatten. Einige spuckten beiläufig aus, bevor sie ihre Plätze einnahmen. Alle Gesichter wirkten verhärmt und ausgelaugt vom Marsch die Küste entlang und von den Geplänkeln, die sie unterwegs gefochten haben mussten. Und alle richteten ihre Blicke auf mich. Einige neigten die Köpfe zu einem kurzen Nicken. Über die Hälfte der Männer schlug das Zeichen des Geisterthrones vor der Brust.
Plötzlich erinnerte ich mich daran, Baills Streitmacht gesehen zu haben, wie sie Temall Richtung Süden verließ. Mehr als einhundert Mann.
Diese hundert Mann. Diese Bande.
Auf der Jagd nach den Chorl.
»Wir sind mehr als drei«, erklärte Baill. Er sprach dabei mit Sorrenti, doch seine Augen lösten sich nicht von mir.
Ich begegnete seinem Blick und spürte, wie die Gardisten, die uns beschützten, enger zusammenrückten, als ich zögerte.
Ich brauchte diese Männer.
Doch der Geschmack von Baills Verrat fühlte sich wie Asche in meinem Mund an. Nach allem, was er getan hatte, konnte ichweder ihm noch seinen Männern vertrauen, ganz gleich, was der Fluss sagte.
Während ich reglos dastand, nahm Erick die Hand von meinem Arm, und ich wusste, dass er nach seinem Schwert griff. Aus dem Augenwinkel sah ich, dass Sorrenti mich unsicher beobachtete. Er verstand die Lage nicht, wusste nicht, wer diese Männer waren, begriff das Ausmaß des Verrats nicht. Allerdings entging ihm nicht die Anspannung, die Wut und der Hass.
Ich holte Luft, um Baill abzuweisen …
Und Sorrenti japste. Es war ein erstickter Laut, der von blankem Grauen zeugte.
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