Die Kaempferin
weniger Stunden nach der Verlautbarung war überall Zierrat aufgetaucht.
Wir gelangten in die Unterstadt. Das Gesicht verzogen, wandte ich mich von den Schutthaufen und den verkohlten Häusern ab.
»Ihr habt die Stadt gerettet.«
Ich schaute zu Westen auf, der mir gegenübersaß. Er beobachtete mich eingehend, während er von der unsanften Fahrt durchgeschüttelt wurde. Auch Keven und Marielle fuhren mit uns. Mein restliches Gefolge hatte sich auf die beiden anderen Kutschen aufgeteilt. »Habe ich das?«
Er lächelte. »Ja. Lasst nie jemanden daran zweifeln – auch Euch selbst nicht.«
»Aber …«
»Nein«, schnitt er mir kopfschüttelnd das Wort ab. »Es istimmer ein Preis zu bezahlen. Gebäude, Schiffe … Menschenleben. Dem kann man nicht entrinnen. Ihr habt getan, was getan werden musste.«
»Aber wir haben den Thron verloren.«
Sein Lächeln geriet ins Wanken und schlug in eine verkniffene Miene um. »Gab es denn eine andere Möglichkeit?«
Ich wandte mich wieder dem Fenster zu und dachte an jene letzten Augenblicke im Thronsaal und im Thron selbst, als die Ochea versucht hatte, die Herrschaft an sich zu reißen. »Nein.«
»Dann war der Thron ein Bestandteil des Preises.«
Mittlerweile hatten wir die am schlimmsten verwüsteten Straßen hinter uns und näherten uns dem Kai. An den Docks scharten sich bereits Menschen, sodass die Kutsche gezwungen war, die Fahrt zu verlangsamen. Männer und Frauen tanzten, Krüge und Becher wurden gen Himmel erhoben, Gelächter und Geschrei vermischten sich zu ausgelassenem Lärm. Jemand schlug gegen die Seite der Kutsche, rief lallend etwas Unverständliches, aber offenkundig Anstößiges zum Fenster herein, taumelte davon und verlor sich in der Menge.
Marielle errötete und lachte. Ich sah ihr ins Gesicht und grinste.
Wir erreichten den Kai, und die Kutsche kam zum Stehen. Die Gardisten drängten die ausgelassene Menge zurück, während Westen die Tür öffnete und mir hinunterhalf. Jubel brandete wie eine Woge über uns herein, als Westen mich zu dem freien Bereich führte, der an einem der Docks abgeriegelt worden war. Aus dem Palast waren Stühle hergebracht worden, außerdem Tische, auf denen Teller voll Essen standen. Alles war auf einer erhöhten Plattform aufgestellt worden. Musik von mindestens drei verschiedenen Kapellen verschmolz zu Misstönen, die vom Lärm der Menge beinahe verschluckt wurden. Irgendwo briet jemand ein Schwein. Der Duft von brutzelndem Fleisch und würzigem Rauch ließ meinen Magen knurren.
Auf der Plattform warteten Regin, einige seiner Lehrlinge, Borund, Catrell und Darryn.
Zusammen mit William.
Mein Magen krampfte sich zusammen, und ich erstarrte, wurde mir plötzlich meines Kleides bewusst. Mein Unbehagen zeigte sich so deutlich, dass Westen mir aus dem Augenwinkel einen Blick zuwarf. William straffte die Schultern. Er stand neben Regin, so weit wie nur möglich von Borund entfernt. Im Fluss spürte ich die Spannung zwischen den beiden. Ich sah, wie Borund einen raschen Blick zu William warf, ehe er die Aufmerksamkeit auf die Docks und die Menschenmenge richtete. William trug ein frisches weißes Lehrlingshemd, eine Hose und eine schlichte, lange braune Jacke. Offenbar hatte Regin ihm noch nicht eröffnet, dass er die Absicht hatte, ihn in den Rang eines vollwertigen Händlers zu erheben. Regin selbst hatte sich in seine Händlerjacke gekleidet, dunkelblau und mit Goldstickereien überzogen, die seine Macht innerhalb der Gilde zum Ausdruck brachten. Die einzelnen Muster ließen erkennen, womit er handelte. Borunds Jacke war blutrot.
Ich bedachte Borund und William mit einem eindringlichen Blick.
Regin trat vor. »Wir müssen umgehend in See stechen, wenn wir die Flut erwischen wollen«, sagte er. Hinter ihm traf die Besatzung des am Dock liegenden Handelsschiffes bereits Vorbereitungen zum Aufbruch. Männer kletterten in die Takelage oder lösten die Leinen vom Dock. Die beiden anderen Schiffe hatten links und rechts davon bereits vom Kai abgelegt. Die instand gesetzten Chorl-Schiffe, die als Eskorte dienen sollten, warteten im Hafen.
»Ihr solltet Eure Ansprache jetzt gleich halten«, sagte Regin.
Ich erstarrte. »Ansprache?«
»Ihr müsst etwas zu den Leuten sagen«, meldete Avrell sich zu Wort. Mittlerweile hatte der Rest der Gruppe zu uns aufgeschlossen. »Das erwarten sie.«
Ich drehte mich zum Kai um und erblickte die Menschen, die sich so dicht an den Docks drängten, dass die Gardisten Mühe hatten, sie von der
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