Die Kaempferin
überbringen. Sie war jetzt unsere letzte und einzige Verbindung zu den Chorl.
»Die linke Flanke gibt nach!«, rief Liviann über den Lärm Tausender klirrender Schwerter und schreiender Männer hinweg.
Ich schwenkte das Pferd herum und lenkte es aus dem Getümmel. Meine Rüstung war blutbespritzt; das Schwert hielt ich hoch erhoben. Liviann stand auf einer niedrigen Anhöhe, von wo aus sie die Schlacht am Stadtrand von Rymerun überblickte. Eine Eskorte von Gardisten war um sie herum. Alle beobachteten aufmerksam das Schlachtfeld. Boten rannten umher, Flaggen wurden hinter ihnen erhoben und gesenkt. Die riesigen Banner von Venitte flatterten im Wind, der von Westen her wehte.
»Die linke Flanke!«, rief Liviann erneut und deutete in die Richtung. Der Fluss verstärkte ihre Stimme, sodass sie gehört wurde.
Ich drehte mich um und spürte, wie die Linie hinter mir erst vor-, dann zurückbrandete. Die Schlacht fühlte sich wie etwas Lebendiges an, das in meinem Blut pulsierte …
Dann erblickte ich die Bruchstelle. Ich sah, wo die Linie der Gardisten aus Venitte nachgab, wenngleich die Soldaten sich bemühten, sie zu halten.
Doch das konnten sie nicht, denn die Chorl griffen mithilfe ihrer Begabten an – Begabte, die eigentlich gar nicht hier sein dürften.
Fluchend trieb ich dem Pferd die Knie in die Flanken und spürte, wie das Tier die Muskeln spannte. Dann preschte es los. Ich fühlte den Reitwind so heftig im Gesicht, dass meine Augen tränten. Das rhythmische Pochen der Pferdehufe setzte sich in meinem Körper fort. Adrenalin breitete sich sengend in meiner Brust aus.
»Cerrin! Warte!«, rief Liviann mit Panik in der Stimme. »Mögen die Götter dich verfluchen, so warte doch!«
Ich schenkte ihr keine Beachtung und schüttelte ihre Worte mit einem verächtlichen Schulterzucken ab. Vor mir sah ich, wie die Schlacht sich wandelte. Ich spürte die Kraft der sich um mich schlingenden Fäden, als ich angriff, und schauderte unter dem Weißen Feuer, als es meine Arme entlangloderte, während ich das Lebensblut auf der Zunge spürte. Ich zog die Sicht um mich zusammen, zurrte die Fäden fest und konnte fühlen, wie das Feuer sich in mir aufbaute.
Dann brach ich mit einem heiseren, kehligen Schrei in die zerbröckelnden Reihen. Mit hoch erhobenem Schwert erkämpfte ich mir einen Weg durch die Ränge der Venitter. Dann stürzte ich mich auf die Chorl, als ich bis zu ihren Linien durchbrach.
Mein erster Hieb trennte einem Chorl-Krieger den Arm am Ellbogen ab. Er stieß ein schrilles Kreischen aus; dann wurde er auch schon von den Hufen meines Pferdes zertrampelt. Das Tier schnaubte und stampfte heftig auf. Seine Augen blickten wirr und verängstigt vom Blutgeruch. Immer wieder schwang ich die Waffe und spürte, wie die Klinge in Fleisch drang, Sehnen und Knochen durchtrennte. Mit jedem Streich stieg Blut von der Schneide auf, und bei jedem Aufeinanderprallen von Stahl auf Fleisch grunzte ich mit gebleckten Zähnen. Ich legte all meinen Schmerz, all meinen Kummer in jeden Hieb. Stahl klirrte, Männer brüllten.
Dann spürte ich, wie Bewegung in die Fäden geriet, wie sich die Sicht bauschte und auflöste.
Männer schrien. Feuer loderte empor. Hitze flimmerte auf den Fäden und verschwand wieder. Ich wirbelte nach links herum. In mir brannte Hass, der alles andere versengte.
Ich wollte die Begabten der Chorl. Ich wollte ihr Blut.
Dann, in einem Augenblick der Ablenkung, streckte einer der Chorl mein Pferd nieder.
Das Tier kreischte. Der Laut durchdrang das donnernde Tosen der Schlacht. Ich fiel zur Seite, stieß einen Fluch hervor und spürte, wie das Tier in die Masse der Männer zu meinerRechten stürzte. Sie taumelten, stolperten zurück. Noch während des Sturzes befreite ich mich aus den Steigbügeln.
Wir schlugen auf dem Boden auf. Die Wucht des Aufpralls erschütterte mich bis auf die Knochen und ließ meine Zähne krachend aufeinanderschlagen. Zwei Chorl wurden unter dem sich windenden Pferd begraben. Mein Bein hingegen war frei …
Allerdings nicht völlig.
Schmerzen schossen heiß und sengend empor, als mein Fuß zwischen dem Pferd und dem Boden eingequetscht wurde. Ich schrie, stützte mich auf den Ellbogen und schob gegen das Pferd, das abermals kreischte und sich verzweifelt wehrte. Das Gewicht des Tieres wogte zurück, und ich zerrte mich durch den schmatzenden Schlamm des von Blut durchtränkten Bodens darunter hervor, während es sich in Todeswehen wand. Mein Bein war ein totes Gewicht.
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