Die Kaempferin
der Chorl?«, hakte ich nach. »Wie wollt Ihr Euch gegen sie verteidigen?«
Ich hatte die Frage an Brandan gerichtet, doch es war Tristan, der antwortete. »Ich habe keine Ahnung. Soviel ich weiß, haben Fürst March und der Rat noch keine Kenntnis von den Begabten der Chorl. Wir sind ihnen noch nie begegnet. Aber wenn es stimmt, was Ihr sagt – und nachdem ich Amenkor gesehen und gehört habe, was die Menschen dieser Stadt während des Angriffs erleiden mussten –, besteht für mich kein Grund, Euch nicht zu glauben. Also müssen wir Pläne zur Verteidigung Venittes machen.«
»Wir haben unsere eigenen Begabten«, warf Brandan ein. »Wir wurden dazu ausgebildet, als Teil des Heeresprotektorats zu kämpfen.«
Beinahe hätte ich losgeprustet, konnte mich aber rechtzeitig zurückhalten. »Auch Amenkor verfügt über Begabte. Und wir haben nur mit knapper Not überlebt. Die Begabten der Chorl haben sich seit dem Angriff vor tausendfünfhundert Jahren verändert. Sie haben gelernt, ihre Kräfte zu bündeln – so sehr, dass ich den Geisterthron zerstören musste, um sie aufzuhalten. Sind auch die Begabten in Venitte bereit dafür?«
Angesichts meines Tonfalls blitzten Brandans Augen. »Wiekönnt Ihr es wagen …«, spie er mir entgegen und beugte sich vor, doch Tristan legte ihm warnend eine Hand auf den Arm, und nach einem angespannten Augenblick sank der Begabte auf seinen Sitz zurück.
»Die Begabten von Venitte werden bereit sein müssen «, sagte Tristan mit Härte in der Stimme. »Nun, Regentin, wenn Ihr uns entschuldigt, wir müssen uns noch um allerlei Geschäfte mit den neuen Gildemitgliedern kümmern.«
»Selbstverständlich«, sagte Avrell und erhob sich, als Tristan und Brandan aufstanden. Sie nickten knapp, ehe sie gingen. Avrell schloss die Tür des Audienzsaals hinter ihnen und wandte sich dann mir zu.
»Brandan weiß mehr über den Thron, als er zugibt«, sagte ich sofort.
Avrell nickte. »Ja. Und Tristan ist mehr als ein einfacher Kapitän der Händlergilde. Er muss eine Verbindung zu einem der Fürsten oder einer der Fürstinnen des Rates haben. Wir müssen vorsichtig sein, wenn die beiden in der Nähe sind.«
Ich erhob mich und ging zur Tür. »Ich muss mehr über die Erschaffung der Throne erfahren«, sagte ich, »und auch darüber, was aus dem Steinthron geworden ist. Da der Geisterthron tot ist, könnte der Steinthron unsere einzige Möglichkeit sein, die Chorl aufzuhalten, wenn sie das nächste Mal angreifen.«
Als Avrell die Tür öffnete und meine draußen wartende Eskorte heranwinkte, sagte er: »Ich werde sehen, was ich in den Archiven finden kann. Und ich lasse Tristan und Brandan unauffällig im Auge behalten. Das kann Catrell übernehmen.«
Als Marielle mit einer Kiste verschiedener Gegenstände Ottuls Zimmer betrat, fand sie die Begabte der Chorl auf einer zusammengefalteten Decke kniend mitten im Raum vor, die Händeüber dem Kopf verschränkt. In dieser Haltung wippte sie vor und zurück und murmelte dabei einen leisen Sprechgesang, der kaum die Stille im Zimmer durchdrang.
Im Weißen Feuer in Marielles Innerstem blickte ich durch ihre Augen, als sie an der Schwelle innehielt. Ich spürte, wie der Schutzbann hinter ihr wieder angebracht wurde.
Macht sie das oft? , fragte ich durch das Feuer.
Marielle nickte. Fast ständig. Und sie weist dabei immer in dieselbe Richtung: nach Westen.
Was macht sie da?
Marielle zuckte mit den Schultern. Ich weiß es nicht. Und ich arbeite noch nicht lange genug mit ihr, um es sagen zu können.
Ich grunzte.
Plötzlich verstummte Ottul. Ihr Sprechgesang endete jäh. Mit einer fließenden Bewegung krümmte sie den Rücken und richtete sich auf, setzte sich auf die Füße zurück und schaute zur Tür. Ihre Miene wirkte starr vor Zorn; zugleich aber liefen ihr Tränen übers Gesicht.
Als sie Marielle erblickte, legte sich ihr Zorn.
»Ich grüße dich, Ottul.« Marielle ging auf den Tisch in der Mitte des Raumes zu, stellte die Kiste ab und nahm Gegenstände heraus: eine Holzschale, einen Kelch, ein Kopftuch.
Ottul streckte den Arm nach dem Kopftuch aus, doch Marielle packte ihre Hand, hielt sie eisern fest und blickte Ottul ins verwirrte Gesicht. »Wie sagt man?«, fragte sie.
Ottul runzelte verärgert die Stirn. Mit schwerem Akzent sagte sie: »Bitte.«
Ihr kläglicher Tonfall versetzte mir einen Stich ins Herz und rührte auch Marielle, denn sie löste den Griff um Ottuls Hand und ließ sie das blaugrüne Kopftuch nehmen. Das Material
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