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Die Kaempferin

Die Kaempferin

Titel: Die Kaempferin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Palmatier
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angefangen. Seitdem weigert sie sich, mit mir zu arbeiten. Sie sagt immer nur ›Nein, nein, nein!‹, steht steif da wie jetzt oder sinkt in eine vornübergebeugte Haltung und murmelt Sprechgesänge, vermutlich Gebete. Ich weiß nicht, was ich tun soll.«
    Ich legte die Stirn in Falten und wandte mich wieder Ottul zu.
    Vor vier Tagen hatte ich ihr vom Tod der gefangenen Chorl-Krieger berichtet. Es hatte eine Weile gedauert, bis sie mich verstand, doch als ich den Stachel, mit dem die letzten Krieger sich selbst getötet hatten, auf den Tisch legte, sog sie hörbar die Luft ein und griff danach, hielt dann aber inne, zog die Hand zurück, trat vom Tisch weg und kehrte mir den Rücken zu. Sie murmelte ein einziges Wort: »Antreul.« Dann verstummte sie und starrte zitternd hinaus auf die Stadt, während ihr Tränen über die Wangen liefen.
    Noch während ich versuchte, ihre Gefühle zu ergründen, die sich unter einer Schicht aus Angst und Schmerz verbargen, wich sie vom Fenster zurück, nahm jene kniende Haltung ein, in der ich sie schon öfters gesehen hatte, und begann mit tränennassem Gesicht und belegter Stimme zu beten. Ihre Züge wirktengequält. Sie bedeckte mit den Armen den Kopf und wiegte sich vor und zurück.
    Ich vermochte die Empfindungen nicht zu ergründen, die sich unter ihrem Kummer regten. Waren es Schuldgefühle? Selbsthass?
    Ich zwang mich, nachzudenken. Ottul arbeitete nicht mehr mit Marielle zusammen, doch ich brauchte ihre Zusammenarbeit ebenso sehr wie Erick. Ich musste ihr genug vertrauen können, sie einen Blick auf Erick werfen zu lassen. Um herauszufinden, ob sie mir helfen konnte, den Bann zu brechen, mit dem Erick belegt worden war.
    Ein Windstoß wehte durch das offene Fenster. Ottul schloss die Augen und beugte sich in den Luftzug hinein, der ihr langes, schwarzes Haar fächergleich hinter ihr aufwallen ließ. Sie nahm einen tiefen Atemzug und hielt ihn an, um die frische Luft zu genießen.
    Ein Kribbeln im Rücken verriet mir, dass Ottul mich beobachtete, als ich zur Tür ging und sie öffnete. Ich sprach kurz mit Keven und der Begabten Trielle, die über die Schutzzauber wachte. Keven runzelte missbilligend die Stirn, nickte jedoch. Zwei Gardisten wurden losgeschickt. Diejenigen, die zurückblieben, wechselten angespannte Blicke.
    Ich wandte mich wieder Ottul und Marielle zu.
    Ottul beobachtete mich unverhohlen misstrauisch. Allerdings färbte Neugier ihren Argwohn.
    »Wisst Ihr, was mit ihr los ist?«, flüsterte Marielle.
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein.«
    Ohne die Tür zu schließen, kehrte ich ins Zimmer zurück und blieb zwei Schritte vor Ottul stehen. Sie zog sich nicht zurück, verengte die Augen jedoch zu Schlitzen.
    »Was tut Ihr?«, fragte Marielle mit banger Stimme.
    »Wir begeben uns auf einen kleinen Ausflug«, erwiderte ich.
    Ottul blickte verwirrt drein, als sie versuchte, sich die Bedeutung meiner Worte zusammenzureimen.
    Obwohl meine Schultern sich verspannt hatten, lächelte ich. Hinter mir hörte ich, wie die zusätzlichen Gardisten eintrafen, die Keven angefordert hatte, und spürte, wie Trielle den Schutzzauber löste, um sie ins Zimmer zu lassen.
    Ottuls Augen weiteten sich, und ihre Arme senkten sich zu einer abwehrenden Geste. Der Fluss kräuselte sich, als sie sich zum Kampf wappnete. Dann fauchte sie – ein warnender Laut, der sich wie eine in die Enge getriebene Katze anhörte.
    Ich zeigte keine Regung und zog weder einen Schild hoch, noch verlagerte ich die Haltung.
    Als die Gardisten nach einer Weile immer noch an der Tür ausharrten, beruhigte sich Ottul.
    »Folge mir«, forderte ich sie auf und kehrte ihr den Rücken zu, als ich auf die Tür zuhielt. Dort schaute ich zu ihr zurück und bedeutete ihr, sich in Bewegung zu setzen. »Komm her.«
    Diese Worte kannte sie. Unsicher richtete sie sich aus ihrer abwehrenden Haltung auf und trat vor. Ihr Blick zuckte dabei zwischen den Gardisten zu beiden Seiten hin und her, um sich dann fragend auf Marielle zu richten, ehe sie wieder zu den Gardisten schaute. Als einer von ihnen hustete, erstarrte sie, schaute ihn finster an und setzte den Weg schließlich fort, bis sie neben Marielle stand.
    Die Gardisten umringten uns. Trielle, immer noch draußen auf dem Gang, machte sich bereit, den Schutzbann sofort wieder anzubringen, sollte Ottul Anzeichen erkennen lassen, angreifen zu wollen. Eine weitere Begabte hatte sich ihr angeschlossen – Heddan, ein junges Mädchen aus dem Norden mit strohblondem Haar. Ich

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