Die Kaempferin
gehört?«
Ich dachte daran, wie Tristan Brandan von den Docks weggeführt hatte, und fragte mich, ob er ihn wirklich aufklären würde, verdrängte die Bedenken jedoch. »Wie Ihr vielleicht erfahren habt, hat Amenkor eine Kundschaftergruppe entsandt, um die Größe der Chorl-Streitkräfte, ihre Position und ihre Mittel zu bestimmen. Ich habe Nachricht von dieser Gruppe. Anscheinend haben die Chorl Temall noch nicht eingenommen und den Marsch gen Amenkor nie begonnen. Offenbar haben sie ein anderes Ziel im Auge: Sie beabsichtigen, nach Venitte zu marschieren.«
Tristan wurde ganz still. Sein Gesicht glich einer Maske.
Unter dem Fluss jedoch tobten die Strömungen.
Tristan blickte mich fest an. »Ich habe keine zurückkehrenden Schiffe gesehen. Und auch von einer Gardistengruppe, die aus dem Süden heimkehrt, habe ich weder gesehen noch gehört. Woher wisst Ihr das?«
Ich hatte bereits Luft geholt, um ihm von dem Feuer in Westens Innerstem zu erzählen, doch Avrell kam mir zuvor.
»Ihr sprecht mit der Regentin von Amenkor«, sagte der Oberhofmarschall. »Es genügt wohl zu sagen, dass sie in Verbindung zu der Kundschaftergruppe steht.«
»Obwohl der Geisterthron zerstört ist?«, gab Tristan argwöhnisch zurück.
»Ja«, bestätigte Avrell nüchtern.
Tristans Blicke hatten sich nicht von meinen Gesicht gelöst, und in den Tiefen seiner Augen sah ich nun, dass er mich neu einschätzte. Die Runzeln um seine Lider spannten sich, und seine Lippen bildeten einen schmalen Strich. »Fürst March muss gewarnt werden. Unverzüglich.« Jäh stand er auf und verneigte sich tief. »Entschuldigt mich, Regentin. Ich muss mein Schiff für die Abreise vorbereiten und mit der nächsten Flut in See stechen.«
»Amenkor möchte Euch Beistand anbieten«, sagte ich. »Hauptmann Catrell ist bereits dabei, eine Streitmacht zusammenzustellen. Wir können Euch und Euer Schiff nach Venitte begleiten.«
»Ich … ich bin nicht sicher, ob das notwendig ist.«
Ich beugte mich vor. »Ihr seid Fürst Marchs Vertreter, und soweit ich weiß, sind Amenkor und Venitte Verbündete, was bedeutet, dass wir Venitte im Fall eines Angriffs beistehen.«
»Aber Venitte hat Amenkor vergangenen Winter nicht geholfen, als die Chorl euch angegriffen haben.«
»Weil Venitte nicht vorgewarnt war«, ergriff Avrell das Wort. »Hätten wir es rechtzeitig gewusst, hätten wir um Hilfe ersucht. Und angesichts unserer gegenwärtigen Beziehung zu Venitte bin ich sicher, dass Fürst March uns Hilfe gewährt hätte.«
»Wir haben Erfahrung mit den Chorl, Kapitän Tristan. Wir haben bereits gegen sie gekämpft und gesiegt. Uns ist selbst daran gelegen, sie von Venitte fernzuhalten. Wollt Ihr unsere Hilfe etwa ausschlagen?«
Tristan schwieg so lange, dass ich dachte, er würde es vielleicht tatsächlich tun; dann aber lächelte er verkniffen. »Nein. Nein, es wäre tollkühn, ein derart großzügiges Angebot abzulehnen. Im Namen Fürst Marchs, des Rates der Acht und ganz Venittes nehme ich das Angebot an. Wir sind Euch für jede Hilfe, die Ihr gewähren könnt, äußerst dankbar.«
»Dann lasse ich Hauptmann Catrell unsere Vorbereitungen mit den Euren abstimmen.«
»Fein.«
Damit verneigte er sich erneut vor mir und Avrell, ehe er die Räumlichkeiten verließ. Keven schloss die Tür hinter ihm.
»Er kam mir ein wenig zögerlich vor«, stellte Keven fest.
»Nein«, gab ich stirnrunzelnd zurück. »Er war zögerlich. Er wollte zwar unsere Hilfe, weiß aber nicht, ob er uns trauen kann.«
»Ihr seid eine Unbekannte für ihn, Regentin. Außerdem hat er soeben eingewilligt, Amenkors Streitkräfte hinter die Mauern von Venitte zu lassen.«
Ich schüttelte den Kopf. »Es ist mehr als das. Aber ich weiß nicht, was.«
»Könnt Ihr das alles bereithaben, bevor die Schiffe Segel setzen?«, fragte ich und überreichte die Liste, die Avrell erstellt hatte.
»Selbstverständlich«, antwortete Regin, wobei er sie überflog, während wir forschen Schrittes den Kai entlanggingen. Über uns kreischten Möwen und kreisten im Wind. »Aus dem Norden sind erste Handelstrosse eingetroffen. Die meisten Vorräte auf der Liste haben wir bereits oder können sie von ihnen bekommen. Welche Schiffe wollt Ihr nehmen?«
Ich deutete hinaus auf den Hafen, wo eines von Borunds Handelsschiffen, die Trotzig , in der Nähe zweier kleinerer Chorl-Schiffe vor Anker lag. Alle drei waren überholt und instand gesetzt worden und warteten nur noch darauf, bevorratet zu werden. »Die Trotzig
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