Die Kaempferin
zwischen der Regentin und dem Fürsten von Venitte, sondern ein Angriff durch eine Streitmacht, die ins Küstengebiet einfällt. Ein Angriff derselben Streitmacht, die das Bündnis zwischen den beiden Städten ursprünglich angeregt hat.«
»Und es gibt einen noch wichtigeren Grund, weshalb wir nicht tatenlos zusehen dürfen, wie die Chorl Venitte angreifen«, meldete ich mich zu Wort.
Alle außer Eryn wandten sich mir zu. Ich spürte die Blicke auf mir. Alles, was Catrell und Avrell gesagt hatten – all die Gründe, die sie genannt hatten, Venitte zu Hilfe zu eilen –, das alles stimmte. Dennoch gab es nur einen einzigen wahren Grund, die Chorl von Venitte fernzuhalten, einen Grund, den die Sieben mir eingegeben hatten, als die Chorl Amenkor angriffen.
Den zweiten Thron.
»Als der Geisterthron erschaffen wurde, entstand zugleich ein anderer Thron, der wie der Geisterthron war und Steinthron hieß. Ich glaube, dass dieser Thron sich immer noch in Venitte befindet. Das dürfte überdies einer der Gründe sein, weshalb die Chorl die Aufmerksamkeit auf Venitte richten statt auf Amenkor. Ich weiß nicht, wie sie erfahren haben, dass der zweite Thron sich in Venitte befindet, aber ich weiß, dass sie nach Amenkor gekommen sind, um sich unseren Thron anzueignen, den Geisterthron. Nur deshalb sind sie hergekommen. Und nun, da er zerstört ist …«
Ich heftete den Blick auf Darryn und Catrell. Dabei dachte ich an den Priester, der Erick auf dem Schiff der Ochea gefoltert hatte. Ich dachte an Haqtl, den Geistlichen, der das Oberhaupt der Chorl-Priesterschaft zu sein schien. Ich erinnerte mich an die Inbrunst in Haqtls Augen an Deck der zum Tode verurteilten Jungfer , als er erkannte, dass sich ein Stück des Himmelsfeuers in Ericks Innerstem befand. Diese Inbrunst war es gewesen, mit der die Ochea die Chorl dazu gebracht hatte, Amenkor anzugreifen, jene Inbrunst, die Haqtl zum Geisterthron geführt hatte. Erst als der Thron gesprungen war, hatte Haqtl den Rückzug angeordnet. Wenn er erfahren hatte, dass es einen weiteren Thron und somit eine weitere Quelle der Macht gab …
Und wenn Eryn recht hatte und der zweite Thron eine männliche Ausgabe des Geisterthrones darstellte …
Die Chorl schienen in drei Gruppen unterteilt zu sein: einmal die Ochea und ihre Begabten. Dann Haqtl und seine Priester. Und schließlich Atlatik und seine Krieger. Die Ochea war vernichtet, ihr Machtgefüge verloren. Somit blieben Haqtl und Atlatik. Und nach dem zu urteilen, was ich durch die Augen der Ochea bezeugt hatte, bevor sie gestorben war, befolgten die Chorl-Krieger den Rat der Priester.
Haqtls Rat.
»Wir dürfen nicht zulassen, dass die Chorl den zweiten Thron rauben«, sagte ich. »Wir gehen nach Venitte.«
Eine Zeit lang herrschte Schweigen. Dann nickte Catrell. »Wir müssen mit der Planung beginnen.«
»Stellt eine Liste aller Dinge zusammen, die Ihr braucht«, forderte Avrell ihn auf. »Nathem und ich werden uns darum kümmern.« Auf Catrells Nicken hin erhoben sich beide Hauptleute der Garde und gingen nacheinander hinaus. Der Oberhofmarschall wandte sich mir zu. »Ihr müsst mit Kapitän Tristan und Brandan Vard darüber reden. Als Vertreter Venittes müssen sie von der Absicht der Chorl und von unserem Angebot, ihnen zu helfen, erfahren.«
Stirnrunzelnd hörte ich die Warnung in seiner Stimme.
»Du hast vor, eine militärische Streitmacht – eine Armee – in einen fremden Hafen zu entsenden«, sagte Eryn. »Das kannst du nicht unangekündigt tun, es sei denn, du willst den Ort angreifen. Du musst um Tristans Einverständnis ersuchen. Er muss dein Hilfsangebot im Namen von Fürst March annehmen.«
»Ihr werdet ihn überzeugen müssen«, fügte Avrell hinzu.
Ich starrte die beiden an. Dann seufzte ich und wandte mich Keven zu. »Schick jemanden los, um Kapitän Tristan und Brandan Vard zu rufen.«
»Ihr wolltet mich sprechen, Regentin?«
Ich winkte Kapitän Tristan zu einem der Sitze in den äußeren Räumlichkeiten der Gemächer der Regentin. Er legte die Stirn in Falten und schaute zu Avrell, der auf einer Seite saß; dann nahm er selbst Platz, während Marielle ihm ein Glas Wein einschenkte.
»Wo ist Brandan Vard?«
»Im Augenblick beschäftigt.«
Ich nickte. »Ich habe Neuigkeiten über die Chorl, die Euch beide betreffen.«
Tristan erstarrte. Das matte Lächeln, das um seine Lippengespielt hatte, verblasste. »Ich werde Eure Auskünfte schnellstmöglich an Brandan Vard weitergeben. Was habt Ihr
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