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Die Kaempferin

Die Kaempferin

Titel: Die Kaempferin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Palmatier
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Angreifer zu schützen, von denen die Küste bedroht wird.«
    Ich spürte, wie das Gewicht von Livianns Worten sich auf mich senkte, und mit einem mulmigen Gefühl stellte ich fest, dass alle sich mir zugewandt hatten.
    »Was wollt ihr von mir?«, fragte ich argwöhnisch.
    Liviann erhob sich und trat auf mich zu, blieb aber einen Schritt entfernt stehen. »Du bist der Erschaffer unter uns, Cerrin.Und du bist am ausgewogensten in den fünf magischen Begabungen. Erschaffe etwas, das unseren Begabten im Kampf einen Vorteil verleiht. Erschaffe etwas, das unser Wissen erhält … das uns erhält.«
    Ich zögerte.
    Sie musste die Zweifel in meinen Zügen gelesen haben, denn sie kam näher, legte die Hände auf die Armstützen meines Stuhls und beugte sich so nahe zu mir, dass unsere Nasen einander fast berührten. Ich konnte den Duft riechen, den sie verwendete, um ihren Schweiß zu übertünchen: Lavendel und Minze, so durchdringend, dass mir die Nase juckte.
    Mit so leiser Stimme, dass ich nicht wusste, ob die anderen sie überhaupt hörten, sagte sie: »Erschaffe etwas, das die Chorl vernichtet. Für Venitte. Für die Küste. Und für deine Gemahlin und Töchter.«
    Tief in meiner Brust verhärtete sich etwas, und einen Augenblick lang gerieten die Schmerzen in meinem Bein in Vergessenheit. Ich sah Olivias Antlitz vor mir, ihre dunkle Haut, ihr seidiges Haar; ich roch ihren lebendigen Duft, einen Meeresgeruch, salzig und sonnig, der sogar Livianns Duftwasser verdrängte. Ich stellte mir vor, sie in den Armen zu halten und das Kinn auf ihren Kopf zu stützen, während sie sich an mich schmiegte, sodass ich ihre Wärme spüren konnte. Wie einen Widerhall hörte ich Pallins Gelächter und Jaers verzücktes Quieken, und diese glücklichen Laute versetzten mir einen schmerzhaften Stich in die Brust.
    Immer wieder suchte mich dieselbe Erinnerung heim: wir alle auf der Veranda des Anwesens auf den Felsen über dem Kanal, kurz vor dem Angriff der Chorl.
    Die letzte Erinnerung an uns gemeinsam.
    Ich kehrte in die Gegenwart zurück, richtete die Aufmerksamkeit auf Livianns Gesicht, das so dicht vor mir schwebte, dass ich ihren Atem auf der Haut spürte. Sie hatte meine Gemahlin und meine Töchter benutzt, um mich zu beeinflussen,und ich hatte nicht übel Lust, ihre Aufforderung allein schon deshalb zurückzuweisen.
    Doch mein Verstand schmiedete bereits eifrig Pläne.
    Und Liviann wusste es. Ich brauchte ihr nicht einmal zu antworten. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen und verschwand sogleich wieder. Dann stieß sie sich von meinem Stuhl ab.
    »In der Zwischenzeit«, sagte sie, während sie zu ihrem Sitz zurückkehrte, »müssen wir die Begabten angriffsfreudiger einsetzen.«
    »Wie das?«, fragte Garus mit tiefer Stimme.
    »Wir müssen sie in die Lager der Chorl schicken, um sie auch dort anzugreifen, nicht nur auf dem Schlachtfeld. Wir müssen sie zu Assassinen machen.«

    Ich erwachte mit einem Schrei auf den Lippen, als das Schiff schlingerte und die Hängematte, in der ich schlief, wild schaukelte. Verwirrt ruderte ich mit den Armen. Das Gefühl zu fallen schnürte mir die Kehle zu und jagte Wellen kribbelnder Panik durch meine Arme und Finger.
    Dann packte mich jemand und zischte: »Regentin.« Als ich Marielles Stimme erkannte, beruhigte ich mich.
    »Was ist geschehen?«, stieß ich hervor.
    In der Dunkelheit der Kabine, die mir, Marielle und Trielle zugewiesen worden war, spürte ich, wie Marielle sich von mir wegbewegte. »Ich weiß es nicht. Ich habe Trielle an Deck geschickt, um es herauszufinden. Es hat vor etwa fünfzehn Minuten angefangen.«
    Noch während sie sprach, rollte das Schiff unter uns. Die Hängematte schwang mit der Bewegung, und ich klammerte mich an den Rändern fest, als eine Woge von Seekrankheit über mir zusammenschwappte. In den ersten Tagen, nachdem wir ausgelaufen waren, hatte mich heftige Übelkeit geplagt, dannjedoch hatte ich gedacht, meine »Seemannsbeine« bekommen zu haben, wie die Besatzung der Trotzig – für gewöhnlich grinsend – sich ausdrückte. Ich schluckte den Geschmack von Galle hinunter und versuchte, mich in der Hängematte aufzurichten. Wenig anmutig gelang es mir, aus der Matte zu gleiten, als Marielle eine Laterne anzündete und Licht die Kabine erfüllte.
    Das Schiff schlingerte erneut, und ich hörte Wasser gegen das Holz schwappen und die Bretter unter uns knarren. Marielle runzelte die Stirn, als sie die Laterne auf einen Haken unter einem der dicken Kantholzbalken

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