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Die Kaempferin

Die Kaempferin

Titel: Die Kaempferin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Palmatier
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dicht über unseren Köpfen hängte. Die Decke war so niedrig, dass die meisten Gardisten und Begabten sich ducken mussten.
    Marielle wirkte blass, fast aschgrau.
    Bevor ich ihr tröstliche Worte sagen konnte, kehrte Trielle zurück.
    »Kapitän Bullick sagt, wir umsegeln ein Unwetter«, erklärte sie knapp, aber ein wenig aufgeregt. »Er glaubt nicht, dass es viel schlimmer wird. Er meint, wir können dem Sturm davonfahren.«
    »Ich möchte an Deck«, sagte ich und sah, wie ein Leuchten in Trielles Augen trat.
    Marielle hingegen stöhnte auf.
    Eine halbe Stunde später war die Hängematte verstaut, und ich trug wie üblich ein weißes Hemd und eine braune Hose. Zusammen mit Trielle erklomm ich die Leiter hinauf an Deck, wo spätmorgendliches Tageslicht herrschte. Marielle hatten wir in der Kabine zurückgelassen. Salzige Gischt spritzte mir ins Gesicht, und ich lächelte, erfüllt von einer sonderbaren Kraft. Einen Augenblick stand ich auf dem schwankenden Deck, spürte die wogende Bewegung unter mir, ließ meine Beine die plötzlichen Verlagerungen ausgleichen und den Wind über mich hinwegwehen.
    Kapitän Bullick, der weiter vorne an der Reling stand, erblickte mich und winkte mich zu sich.
    »Regentin«, grüßte er höflich. Er hielt sich eine lange Röhre ans Auge, ließ sie aber kurz darauf sinken, wobei er die Röhre, die aus mehreren Gliedern bestand, ineinanderschob. Bullick trug die Uniform eines Kapitäns, eine graue Jacke, wie die Händler sie verwendeten, an den Rändern blau bestickt; dies verdeutlichte die enge Verbindung der Kapitäne zur Händlergilde.
    Ein wenig argwöhnisch musterte er mich. »Ihr solltet in solch gefährlichen Gewässern nicht an Deck bleiben, Regentin.«
    Da es kein Befehl war, beschloss ich, ihn nicht zu beachten.
    »Trielle hat von einem Sturm erzählt.«
    Bullick grunzte und deutete über das Wasser. »Seht selbst.«
    Steuerbord dräuten schwarze Wolken am Horizont, eine sich kräuselnde Finsternis, die für einen Augenblick von einem gezackten, bläulichen Blitz erhellt wurde, den ich bitter und metallisch im Fluss schmecken konnte.
    Ich legte eine Hand auf die Reling, spürte, wie das Holz unter meinen Fingern erschauderte, und hob die andere Hand, um die Augen vor dem Wind abzuschirmen.
    »Man kann sehen, wo es regnet«, sagte Trielle, die neben mir stand.
    »Und wo?«
    Trielle streckte den Arm aus. »Seht Ihr, wo das hellere Grau sich zum Rand der Wolken hinneigt? Das ist Regen.«
    Ich nickte, als ich den schrägen, hellgrauen Schnitt vor dem dunkleren Grau der Wolken ausmachte.
    Plötzlich versperrte mir der Kamm einer hohen Welle die Sicht. Ich wich zurück, sog scharf die Luft ein und stieß hervor: »Die Wellen!«
    »Ja«, sagte Bullick. »Sie reichen fast bis über die Reling. Deshalb schlage ich vor, dass Ihr unter Deck bleibt.«
    »Aber Trielle sagte, Ihr wärt der Meinung, wir können den Sturm umfahren.«
    »Ja. Aber das bedeutet noch lange nicht, dass uns raue See erspart bleibt. Es ist sicherer, wenn Ihr für alle Fälle unten bleibt.«
    Während er sprach, neigte das Schiff sich empor, stieg über eine Welle und sank in das Tal dahinter. Ich spürte die Bewegung im Magen, und einmal mehr stieg mir der widerliche Geschmack von Erbrochenem in die Kehle.
    Die Trotzig krachte in die nächste Welle. Feine Gischt stob auf, schoss über den Bug und spritzte übers Deck. Bullick schaute nicht einmal hin; er zeigte sich überhaupt wenig beeindruckt vom wilden Ritt des Schiffes. Matrosen kletterten durch die Takelage und machten sich an den Segeln zu schaffen.
    Ein eisiger Schauer der Angst durchströmte mich. Ich erinnerte mich an den Sturm, in den Erick und die Jungfer geraten waren, und dachte daran zurück, was die über das Deck wogenden Wellen anrichten konnten. Menschen konnten über Bord gespült werden.
    Und ich konnte nicht schwimmen.
    »Ihr habt recht, Kapitän«, sagte ich. »Ich werde unten warten, bis der Sturm vorüber ist.«
    Er nickte. »Sehr gut.«
    Sein Tonfall legte nahe, dass es ganz und gar meine Idee gewesen sei, doch er klang durchaus zufrieden.
    »Wie lange noch, bis wir auf Westen und die Preis stoßen?«, erkundigte ich mich.
    »Wenn der Sturm uns nicht zu weit vom Kurs abbringt, erreichen wir den Hafen von Temall in einem weiteren Tag.«
    Damit wandte er sich ab.
    Als Trielle und ich zur offenen Luke und zu der Leiter zurückkehrten, die nach unten führte, erhaschte ich einen flüchtigen Blick auf die drei anderen Schiffe unserer kleinen

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