Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kaempferin

Die Kaempferin

Titel: Die Kaempferin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Palmatier
Vom Netzwerk:
Avrell, und ich erkannte plötzlich, dass er und Keven zurückgewichen waren. Er nickte mir zu, während Keven ein wissendes Grinsen zu unterdrücken versuchte. Dann schlenderten sie über das Deck davon.
    Hinter ihnen sah ich Marielle und Trielle, die mich aufmerksam beobachteten. Marielle beugte sich zu Trielle und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Trielle lachte glockenhell und schelmisch. Ich dachte daran, was Marielle mir erzählt hatte, daran, was wir seither besprochen hatten, an mich und William und Brandan, an Küsse, an körperliche Liebe.
    »Möchtest du es versuchen?«
    Ich drehte mich William zu und spürte, wie meine Haut im Genick brannte, als ich begriff, dass er das Fernglas meinte.
    »Was muss ich tun?«, fragte ich und ließ mir die Röhre in eine Hand geben. Sie erwies sich als schwerer, als sie aussah, und ich stellte fest, dass sich an jedem Ende Linsen befanden wie jene in Borunds Brille, nur runder und dicker.
    Unsicher zögerte William. Dann antwortete er: »Halt das kleine Ende an ein Auge und richte das andere auf das, was du dir näher ansehen möchtest.«
    Ich tat, wie mir geheißen, zielte mit der Röhre auf das Land und schloss das andere Auge, wie ich es bei ihm gesehen hatte. Ich runzelte die Stirn. »Ich sehe nur verschwommenes Blau.«
    »Du darfst nicht wackeln. Und ich glaube, du siehst dir immer noch das Meer an. Du hältst es nicht hoch genug. Warte, lass mich dir helfen.«
    Ich zuckte zusammen, als er so dicht hinter mich trat, dass unsere Körper sich berührten. Unwillkürlich löste ich das Fernglas vom Auge. Die Hitze in meinem Nacken kroch höher, doch dann schlossen sich seine Hände über die meinen, sein Arm legte sich um mich herum, und er hob das Fernrohr an.
    »Bereit?«, fragte er.
    Sein Kopf befand sich neben dem meinen, sein Mund war dicht an meinem Ohr. Ich spürte seinen Atem am Hals.
    Tief holte ich Luft. »Ich denke schon.«
    Mir missfiel, wie angespannt sich meine Stimme anhörte, aber ich schluckte und führte das kleine Ende des Fernrohrs an mein Auge, lehnte mich leicht gegen William zurück, kniff das Auge zusammen und schloss das andere.
    »Siehst du etwas?«
    Ich konnte kaum atmen, geschweige denn etwas sehen. Ich spürte, wie meine Hände zitterten, und verfluchte Marielle dafür, dass sie mir ungewisse, verlockende Gedanken in den Kopf gesetzt hatte.
    Plötzlich unterbrach ein grüner und brauner Streifen das verschwommene blaue Feld im Glas.
    Japsend spannte ich die Arme an, als ich versuchte, das Fernrohr ruhig zu halten. Alle Gedanken an körperliche Liebe, an meine Verärgerung über Williams Verhalten am Kai, an sein abweisendes Gebaren auf dem Schiff – alles war vergessen, als sich das Grün und Braun zu einem felsigen, von Kiefern gesäumten Strand verfestigte, der mir so nah erschien, dass ich beinahe unwillkürlich die Hand ausgestreckt hätte, um ihn zu berühren. Die Äste der Bäume wurden vom Wind gepeitscht, und die Wellen brandeten weiß schäumend gegen die Felsen. Die Geräusche des Schiffes bildeten einen unpassenden Hintergrund – Rufe von den Männern in der Takelage, Gespräche auf Deck, das Läuten der Glocke zu jeder vollen Stunde und das unablässige Rauschen des Meeres, durch das wir glitten.
    Die Gegensätzlichkeit der Geräusche auf dem Schiff und deserwarteten, aber nicht vernehmlichen Rauschens von Wellen, die sich an einem Strand brachen, sowie vom Wind, der durch Bäume heulte, war gespenstisch und jagte mir einen Schauder über den Rücken.
    William nahm die Hände weg, trat zurück und lehnte sich neben mir auf die Reling. Ich senkte das Fernglas.
    »Wie geht das?«
    »Die Linsen«, antwortete er und zuckte mit den Schultern. »Alle Schiffskapitäne benutzen Fernrohre.«
    Ich konnte mich nicht erinnern, dass Mathew, der Kapitän der Jungfer , eines gehabt hatte, allerdings hatte ich auch nicht viel Zeit an Bord seines Schiffes verbracht. Und die Zeit, die ich dort gewesen war, hatte ich im Feuer in Ericks Innerstem geweilt.
    Ich wandte mich wieder dem entfernten Ufer zu, betrachtete es erneut durch das Fernrohr. »Also, was ist am Kai geschehen?«
    Ich spürte, wie William erstarrte; ein Knistern ging von seiner Präsenz im Fluss aus. »Was meinst du?«
    Schnaubend drehte ich mich ihm zu und ließ einen Teil meiner Verärgerung in meine Stimme sickern. »Nach dem kleinen Vorfall mit Brandan nach unserem Ausflug in die Stadt bist du kaum noch in den Palast gekommen. Du hast mich gemieden, wenn ich in der Stadt unterwegs

Weitere Kostenlose Bücher